Özdemir verabschiedet sich anscheinend vom Borchert-Plan

Landvolkpräsident Dr. Holger Hennies
Landvolkpräsident Dr. Holger Hennies: „„Wenn alles, was in Sachen Ordnungsrecht und Förderpolitik jetzt auf dem Tisch liegt, so umgesetzt wird, steht der Großteil unserer Schweine- und Geflügelhalter in Niedersachsen vor dem endgültigen „Aus“.“ Foto: Landvolk
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BMEL-Vorschläge führen zu dramatischem Abbau der Tierhaltung und zu Verlagerung ins Ausland

L P D – Einen systematischen Abbau der gesamten deutschen Tierhaltung erkennen die niedersächsischen Landwirtinnen und Landwirte in der Strategie des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). „Wenn alles, was in Sachen Ordnungsrecht und Förderpolitik jetzt auf dem Tisch liegt, so umgesetzt wird, steht der Großteil unserer Schweine- und Geflügelhalter in Niedersachsen vor dem endgültigen „Aus“. Da soll eine gesamte Branche abgewickelt werden“, sagt Landvolkpräsident Dr. Holger Hennies. Von den Forderungen des Borchert-Plans nach einem rechtlich und finanziell abgefederten Umbau der Tierhaltung sei keine Rede mehr, die in den vergangenen Wochen und Monaten vorgelegten Eckpunktepapiere und Gesetzesentwürfe strotzen nur so von harten ordnungsrechtlichen Verschärfungen und wenig Unterstützung für die Bäuerinnen und Bauern. Dazu gehören die mit großen Lücken versehenen und handwerklich schlecht gemachten Entwürfe zum Tierhaltungskennzeichnungsgesetz, zur Änderung des Baugesetzbuches und die Eckpunktepapiere zu den Haltungsbedingungen für Mastputen, Jung- und Legehennen sowie „Bruderhähnen“.

Landvolk-Vizepräsident Ulrich Löhr, zugleich Vorsitzender des Fachausschusses Eier und Geflügel im Deutschen Bauernverband (DBV), wird angesichts der vom BMEL vorgelegten Eckpunktepapiere zur Geflügelhaltung ebenfalls sehr deutlich: „Das Bundeslandwirtschaftsministerium tut so, als hätten wir Hühner- und Putenhalter bisher in einem rechtsfreien Raum gewirtschaftet. Das Gegenteil ist aber der Fall: Die deutschen Putenhalter haben sich sogar freiwillig zu einem Mehr an Tierwohl verpflichtet als gesetzlich vorgeschrieben. Doch die in diesem Entwurf enthaltenen Platzvorgaben katapultieren die deutschen Putenhalter aus dem Wettbewerb im EU-Binnenmarkt und führen die heimische Putenhaltung ins Aus.“ Statt mehr Tierwohl in Deutschland zu erreichen, würde mehr Geflügelfleisch importiert. Aktuell liege der Selbstversorgungsgrad für Putenfleisch bei 80 Prozent. „Die deutschen Geflügelhalter stehen zum Umbau der Tierhaltung, aber das geht nur mit einem ganzheitlichen Konzept. Sollten die Vorgaben des BMEL so kommen, dann muss ein deutscher Bauer seine Putenhaltung auf die Hälfte dessen beschränken, was seine Kollegen in anderen EU-Ländern dürfen. Chancengleichheit auf dem EU-Markt, das Tierwohl sowie der Tier- und Umweltschutz werden mit Füßen getreten“, sagt Löhr.

Ebenso empört äußern sich auch die Schweinehalter, die bereit sind Außenklimaställe für mehr Tierwohl zu bauen, jedoch von der Politik ausgebremst werden. „Mit diesen Vorgaben aus Berlin geht die Förderung an den meisten Betrieben vorbei“, erläutert Landvolk-Vizepräsident Jörn Ehlers das Dilemma. So sollen z.B. sauenhaltende Betriebe in den Genuss der Förderung für maximal 200 Sauen kommen, doch die Bestandsgröße liegt bei der großen Mehrheit der Sauenhalter deutlich über der Fördergrenze. „Dadurch würden in Niedersachsen große Teile des Gesamtbestandes aus der Tierwohlförderung ausgeschlossen, und die Politik nimmt den Tierhaltern die Perspektiven für Investitionen – viele weitere Sauenhalter werden aufgrund dieser Vorgaben aufgeben“, vermutet Ehlers. Ein erfolgreiches, wirtschaftsgetragenes Konzept sei nach Ansicht des Landvolks die „Initiative Tierwohl“ (ITW). „Leider müssen wir auch dort feststellen, dass sich viel mehr Landwirte beteiligen möchten, als Nachfrage nach dem Label vorhanden ist. Teilweise werden den Schweinehaltern sogar die Verträge gekündigt oder nicht fortgeführt“, sagt Ehlers.

„Wir sind enttäuscht, dass von Özdemirs Bekenntnissen zu Amtsantritt, gemeinsam den Umbau der Tierhaltung gestalten zu wollen, wenig übriggeblieben ist. Ein Einstieg in Kennzeichnung und Tierwohlprämien ist zwar erkennbar“, so Hennies, „aber es gibt erheblichen Nachbesserungsbedarf und zu wenig Beachtung der landwirtschaftlichen Verbesserungsvorschläge.“

„Statt eines Miteinanders, wie wir Niedersachsen es auf Landesebene gut mit der Politik in Form des Niedersächsischen Weges praktizieren und so Kompromisse erarbeiten, mit denen alle Seiten leben können, überlastet das Bundeslandwirtschaftsministerium unsere Betriebe mit einem Bündel von Verordnungsentwürfen“ fasst Landvolkpräsident Hennies zusammen. „Özdemir und sein Ministerium verlieren durch diese hohen Auflagen komplett das Ziel aus den Augen, dass sich die bundesdeutsche Gesellschaft wünscht: regionale, qualitativ hochwertige Lebensmittel, die sich jeder leisten kann. Dazu gehört schon jetzt ein hohes Maß an Tierwohl und Umweltstandards deutschlandweit“, verweist Hennies abschließend auf den großen wirtschaftlichen Anteil der Landwirtschaft inklusive der vor- und nachgelagerten Bereiche. (LPD 05/2023)

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Silke Breustedt-Muschalla

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