Willkür entscheidet über Wohl und Wehe der Bauern

Julius Rauhaus, Volker Hahn und Arnd von Hugo vom Landvolk Hannover diskutierten mit Hofnachfolger Christian Fricke, Horst Dondrup von der RWG Osthannover und Landwirt Carsten Fricke (von links) über die Auswirkungen der geplanten Verordnung zur nachhaltigen Nutzung von Pflanzenschutzmitteln (SUR) Foto: Landvolk
Julius Rauhaus, Volker Hahn und Arnd von Hugo vom Landvolk Hannover diskutierten mit Hofnachfolger Christian Fricke, Horst Dondrup von der RWG Osthannover und Landwirt Carsten Fricke (von links) über die Auswirkungen der geplanten Verordnung zur nachhaltigen Nutzung von Pflanzenschutzmitteln (SUR) Foto: Landvolk
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Landwirte fürchten Verordnung zur nachhaltigen Nutzung von Pflanzenschutzmitteln

L P D – Landwirte, die Kartoffeln anbauen, genießen im Berufsstand ein hohes Ansehen. „Das sind eigentlich keine Bauern, das sind Spezialisten“, hat DLG-Präsident Hubertus Paetow erst kürzlich auf der Agritechnica betont. Der Prototyp dieses Berufsbildes ist auf dem Hof der Familie Fricke in Schwüblingsen, Region Hannover, zu finden. Dort werden Kartoffeln, Speise- und Silberzwiebeln, Zuckerrüben, Braugerste, Roggen und Weizen angebaut. Diese Vielfalt ist nun durch einen Verordnungsentwurf zur nachhaltigen Nutzung von Pflanzenschutzmitteln („Sustainable Use Regulation“, kurz SUR) der EU bedroht, obwohl Pflanzenschutzmittel durch die jahrelange Zusammenarbeit mit dem örtlichen Wasserwerk dort ohnehin sehr gewissenhaft und penibel eingesetzt werden. „Wir wollen das Wasser, das unter unseren Flächen gewonnen wird, schließlich selbst trinken“, sagt Christian Fricke.

Der 25 Jahre alte Hofnachfolger und studierte Landwirt ist entsetzt über die geplanten Einschnitte. „Mehr als 60 Prozent unserer Flächen liegen in der geplanten SUR-Kulisse“, verdeutlicht er die Betroffenheit des Betriebes. Dort sollen kurzfristig nur noch die begrenzten Pflanzenschutzmaßnahmen zugelassen werden, die im Ökolandbau geduldet werden. Besonders der Anbau von Zuckerrüben, Braugerste, Kartoffeln und Zwiebeln steht dann zur Disposition. „Rund um Uetze liegt das einzige Anbaugebiet von Silberzwiebeln in ganz Deutschland“, nennt Fricke ein Beispiel für seine Spezialisierung. Rund 1.000 Pflanzen wachsen auf einem Quadratmeter dicht an dicht – an mechanische Unkrautbekämpfung sei da nicht zu denken. Zudem seien die wertvollen Pflänzchen, deren Saatgut bereits mit bis zu 4.500 Euro pro Hektar zu Buche schlägt, selbst empfindlich und würden unter den rabiaten Striegelgängen leiden.

Dass Innovationen in der Landwirtschaft gut ankommen, zeigte das vergangene Jahr, als auf den Feldern von Familie Fricke erstmals mit der „Spot Spray-Methode“ gearbeitet wurde, um Beikräuter zu regulieren. „Die Maschine hat 40.000 Bilder von Zwiebeln eingespeichert und hat dann nur die Pflanzen angesprüht, die anders aussahen“; zeigt sich Betriebsleiter Carsten Fricke begeistert von den technischen Möglichkeiten. So konnten in den Anschlussbehandlungen teilweise bis zu 90 Prozent der Herbizide eingespart werden. „Diese Art der Pflanzenschutzmitteleinsparung hilft uns insgesamt viel mehr als Komplettverbote in bestimmten Gebieten“, stellt der junge Landwirt fest. Wichtig für diese Methode sei aber, dass eine gewisse Vielfalt an Wirkstoffen erhalten bleibe, um Resistenzen vorzubeugen.

„Auch im Naturschutz möchten wir weiter mit Kooperationen arbeiten und keine fachlich unhaltbaren Einschnitte bekommen“, prangert Fricke die Orientierung der SUR-Kulissen entlang der Grenzen von Landschaftsschutzgebieten an. Der Niedersächsische Weg habe gezeigt, dass Landwirtschaft, Politik und Umweltverbände gemeinsam gute Erfolge erzielen können. „Die roten Gebiete, in denen die Düngung stark eingeschränkt ist, sind schon hart, aber SUR bedeutet ‚rote Gebiete hoch zehn‘“, pflichtet Arnd von Hugo, stellvertretender Vorsitzender des Landvolks Hannover, ihm bei. Das Gesetz hätte verheerende Auswirkungen und die Folgen würden von der Politik komplett ausgeblendet. „Für jeden Hektar, der hier aus der Bewirtschaftung genommen wird, müssen weltweit zwei Hektar neu dazukommen“, beruft er sich auf die fruchtbaren Bedingungen in Niedersachsen. Und das, obwohl Deutschland bei vielen Lebensmitteln bereits Nettoimporteur und die weltweite Ackerfläche knapp sei.

Zudem sei sein Verständnis von Demokratie erschüttert, wenn willkürliche Gebietskulissen über das wirtschaftliche Wohl und Wehe von Familien entscheiden. „Auf Reduktionsziele können wir uns einlassen, nicht jedoch auf eine Bestrafung und letztendlich ein Berufsverbot von Landwirten, nur weil sie in bestimmten Schutzgebieten wirtschaften und dort ohnehin schon viel für den Wasser- und Umweltschutz tun“, bekräftigt von Hugo abschließend. (LPD 89/2023)

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