Produkte werden zu gering geschätzt

Produkte werden zu gering geschätzt - Landvolk-Präsident Werner Hilse
Landvolk-Präsident Werner Hilse

Zum Erntedank

Rekorderträge, Superernte, überdurchschnittlich – in der Bewertung der diesjährigen Ernte übertreffen sich die Superlative. Es gibt also reichlich Anlass, Dank zu sagen. In der Gesamtschau dürfen wir gleichwohl nicht übersehen, dass die Witterung nicht überall im Lande Höchstleistungen auf dem Acker ermöglicht hat. Jeder Landwirt hat sein Bestes gegeben, die Saat gut gehegt und gepflegt, dennoch liegen Freude und Enttäuschung dicht beieinander. Am Ende des Erntejahrs haben wir allen Grund, Dank zu sagen. Wir Bauern arbeiten in Gottes Schöpfung, der Erfolg unserer Arbeit liegt nicht allein in unserer Hand.
Unsere Erzeugnisse stehen am Anfang einer langen Wertschöpfungskette, leider herrscht zurzeit mit Blick auf die Preise auf den Höfen fast allerorten gedrückte Stimmung. Die Schweinehalter erleben einen echten Preissturz, der sich weder mit dem russischen Embargo noch anderen Marktverwerfungen hinreichend erklären lässt. Einkäufer spekulieren ganz offensichtlich auf einen weiteren Abwärtstrend. Die Kartoffelpreise sind ebenfalls ins Bodenlose gesunken, auch Getreide und Milch stellen die Landwirte beim Verkauf derzeit nicht wirklich zufrieden. Der Preis spiegelt in keiner Weise den tatsächlichen Wert unserer Produkte wider, ihre mangelnde Wertschätzung gibt zugleich Zeugnis von der mangelnden Würdigung landwirtschaftlicher Erzeugnisse. Sie werden viel zu gering geschätzt. Das ist auch ein Stich in die Würde unserer Landwirte, die Tag für Tag mit hohem Verantwortungsbewusstsein gute Arbeit leisten, ja, echte Präzisionsarbeit.

Auf der anderen Seite sehen wir uns mit ständig steigenden Ansprüchen an unsere Arbeit konfrontiert. Allem voran steht der Wunsch nach mehr Tierwohl, hier übertreffen sich Politiker, gesellschaftliche Gruppierungen und nicht zuletzt Verbraucherinnen und Verbraucher mit einer umfangreichen Wunschliste. Immer wieder wird dabei übersehen, was Tierhalter bislang schon in die Tat umgesetzt haben – jeder neue Stall kommt den Bedürfnissen der Tiere ein großes Stück mehr entgegen. Auch alte Ställe wurden dazu angepasst und modernisiert. Das sind gelebte und realisierte Initiativen für mehr Tierwohl. Betroffen müssen wir zugleich auch feststellen, das Landwirte, die hier Neues wagen, nicht auf die Zusagen der Kunden bauen können, mehr Tierwohl entsprechend höher honorieren zu wollen. Der theoretische Anspruch der Verbraucher und die gelebte Wirklichkeit an der Ladenkasse driften leider immer weiter auseinander.
Einige gesellschaftliche Gruppen äußern sehr fundamentale Kritik an der modernen Landwirtschaft. Landwirte vermissen bei solchen Urteilen häufig die Bereitschaft zu echter Auseinandersetzung, zum gesellschaftlichen Diskurs und den Blick für die Realität. Es fehlt oft auch an dem Willen, tragfähige Kompromisse oder Lösungen zu erarbeiten, die allen Ansprüchen gerecht werden müssen. Auch diese Gedanken bewegen Bauern am Erntedanktag.

Das Fest  bietet einen guten Anlass, in den Kirchengemeinden, in den Dörfern wieder stärker ins Gespräch zu kommen – vorurteilsfrei, offen und von dem Bestreben nach gegenseitigem Verständnis getragen. Das Erntedankfest soll für uns Anlass sein, Gott und der Schöpfung Dank zu sagen für einen so reichlich gedeckten Tisch verbunden mit dem Wunsch, dass baldmöglichst wieder mehr Friede auf dieser Welt einkehren möge.

Ihr
Werner Hilse