Landwirtschaft, Kommunen und Stiftung Kulturlandpflege ziehen an einem Strang
Wegenetze sind für die Landwirtschaft wichtig, damit Niedersachsens Bauern gut zu ihren Flächen kommen. Farbenfroh blühende Wegränder sind in Niedersachsens Feldmark aber eher selten zu sehen – stattdessen dominieren artenarme und von Gräsern dominierte Wegränder. „Diese Wegraine sind als Flächen aber vorhanden und können gut für den Naturschutz aufgewertet werden“, ist Vize-Präsident Frank Kohlenberg überzeugt und hat in seinem Heimatlandkreis Holzminden Kommunen, Realverband, Jagdpächter und weitere Beteiligte an einen Tisch geholt, um die Wegränder in Niedersachsens Agrarlandschaft ökologisch aufzuwerten. Vor kurzem wurde am blühenden Wegesrand in der Bremker Feldmark das Projekt in Augenschein genommen: „Sollte die Maßnahme sich positiv entwickeln, ist dies ein enormer Beitrag zur Artenvielfalt und Biodiversität. Schon jetzt wurden fast 30 verschiedene Pflanzen gefunden“, bringt es Kohlenberg auf den Punkt. Er hatte vor vier Jahren im Herbst dieses Projekt gemeinsam mit Feldmarkinteressengemeinschaft, Realverband, Kommune und Landwirt- sowie Jägerschaft auf den Weg gebracht.
Der Realverband hat daraufhin die Flächen bereitgestellt. Auf einem 150 Meter langen und 4,5 Meter breiten Wegesrand wurden im vergangenen Jahr 30 Zentimeter Mutterboden abgetragen und -transportiert. „Durch Stickstoffeintrag aus der Luft mit einer Menge von ca. 30 kg pro ha und Jahr sind auch die Wegränder sehr gut mit diesem Pflanzennährstoff versorgt. Dieser hohe Nährstoffanteil sorgt dafür, dass die Gräser überwiegen und die blühenden Kräuter zurückgedrängt werden. Das wollen wir hier nicht haben. Die Nährstoffe können dem Wegrand auf einzelnen Abschnitten durch Oberbodenabtrag entzogen werden, damit sich die Vegetation wieder möglichst artenreich entwickeln kann“, erklärt dazu Björn Rohloff von der Stiftung Kulturlandpflege.
Das Landvolk Niedersachsen hatte vor vier Jahren gemeinsam mit der Stiftung Kulturlandpflege die Initiative „Artenreiche Wegränder“ ins Leben gerufen. „Das Projekt hier ist ein fantastisches Ergebnis. Es ist genau das, was wir uns darunter vorgestellt haben. Als Stiftung haben wir schon mehrere Kommunen beraten und Wegerandstreifen-Konzepte erstellt inklusive Biotop-Kartierung der Wegabschnitte. Wir haben in Deutschland ein landwirtschaftliches Wegenetz in der Größe von Berlin. Bei Wegrandbreiten von 2,5 bis 3 Metern ist das ein Riesenaufwertungspotenzial von Flächen, die sowieso vorhanden sind“, zeigt Rohloff auf. Auf dem Blühstreifen sind nun Ackerwitwenblume, Margariten, Butterblumen, Rot- und Weißklee und viele weitere Pflanzen zu sehen, die alle nacheinander blühen werden und so für Insekten wichtig sind.
Doch einfach nur Blühmischungen in die Erde zu schmeißen – damit ist es nicht getan. Auch bei Naturschutzflächen ist das Pflegemanagement ist entscheidend. Für die fachliche Betreuung des Projekts in Bremke zeichnet sich die Untere Naturschutzbehörde des Landeskreises Holzminden verantwortlich, die sowohl das Abräumen sowie die Entsorgung des alten Bodens finanziert. Einmal im Jahr erfolgt nach dem Aussamen nach Rücksprache mit den Fachleuten die Mahd des Streifens.
Auch die Jagdpächter rund um Bremke unterstützen dieses Projekt. „Wir haben schon immer ein Auge auf eine jagdliche Bewirtschaftung der Wegraine, indem wir diese nicht in der Brut- und Setzzeit mulchen und somit dem Niederwild Zufluchtsorte ermöglichen. Wir haben viele Rebhühner vor Ort, die den Samen aus den Blumen und Pflanzen fressen. Der Blühstreifenbestand ist nicht so dicht, sodass gute Fluchtmöglichkeiten bestehen. In den hohen Gräsern sitzen hingegen das Rehwild und die Hasen. Unser Niederwildbestand war noch nie so hoch“, sieht Karl-Wilhelm Steinbrink als Jagdpächter schon erste Erfolge.
„Wir haben hier jetzt schon eine win-win-Situation, indem wir das Landschaftsbild bereichert haben und etwas für den Insektenschutz tun. Mit solchen Streifen in der Landschaft haben wir hier vor Ort den Biotopverbund mit Wald, Feld und Grabenstrukturen, der in der Politik in Hannover noch diskutiert wird. So stellen wir uns Biotopvernetzung vor. Den Beteiligten kommt es hier nicht auf dogmatische Prinzipienreiterei an. Es müssen nicht immer Hecken oder Gewässer sein. Wichtig für uns ist, dass wir eine Kontinuität haben und es nicht in zwei Jahren wieder umbrechen müssen, und auch für die Fläche ist es schöner, wenn es von Dauer ist. Die Idee des Projekts ist, dass sich hier stabile Populationen aufbauen können“, freut sich Kohlenberg, der ebenfalls Jäger ist, abschließend über den Austausch und das gute Miteinander aller auf Augenhöhe zu diesem Projekt „Artenreiche Wegraine“. Mit Rundschreiben an Kommunen soll weiter für das Thema sensibilisiert werden: „Da können alle Partner noch besser werden“, hofft Kohlenberg auf weitere Nachahmer. (LPD 45/2024)