Mit Saisongärten und Süßkartoffeln nah am Kunden

Stephan Hesse
Stephan Hesse pflanzt Süßkartoffeln in schwarze Biofolie aus Maisstärke Foto: Landvolk Niedersachsen
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Bunte Betriebszweige bereichern Bauernhöfe – Start-up in der Landwirtschaft

L P D – Die Hildesheimer Börde ist bekannt für ihre fruchtbaren Böden und den Anbau von qualitativ hochwertigem Getreide, Zuckerrüben und Pommes-Kartoffeln. Am Ortseingang von Einum wächst seit einigen Jahren jedoch eine sehr exotische Frucht: „Wir wollten mal was anderes machen als 08/15-Landwirtschaft“, begründet Stephan Hesse den Schritt in den Anbau von Süßkartoffeln. Seine Ehefrau Daria betreibt unter dem Slogan „Vorstadtgemüse“ zudem Saisongärten zur Selbsternte direkt am Hof. Die zwei Meter breiten und 25 Meter langen Parzellen werden von dem Ehepaar für ihre Mitgärtner angelegt und unter anderem mit Kartoffeln, Bohnen, Erbsen, Kohl, Rote Bete, Knoblauch, Radieschen, Pastinaken, Zucchini und Kürbis bestückt.

„Gärtnern ist eine Menge ausprobieren – auch mal scheitern und ganz viel Erfolg haben“, beschreibt Daria Hesse die Zusammenarbeit mit ihren Kunden, die sie liebevoll „betreutes Gärtnern“ nennt. Sie berät gerne, bietet eine Sprechstunde an und hängt am Monatsanfang eine To-Do-Liste auf, damit keiner seine Ernte verpasst. „Mai und Juni sind die Jätemonate“, rät sie. Da haben alle noch Lust und danach ihre Ruhe vor dem unbeliebten Begleitgrün. Hesses profitieren aber auch von den Ideen der 56 Gärtner auf ihrem Hof. „Möhrengrün zu Pesto zu verarbeiten – darauf war ich bislang noch nicht gekommen“, sagt die dreifache Mutter. Die Gärtner aus der Stadt können im Gegenzug bei der Familie alle Fragen zur Landwirtschaft loswerden.

Der Aufwand lohnt sich, die meisten Pächter sind Wiederholungstäter und die Warteliste ist lang. Da der Erfolg motiviert, plant Daria Hesse mit einem Schnittblumenfeld bereits die nächste Besonderheit in der Hildesheimer Fruchtfolge. Zinnien, Cosmea, Sonnenblumen, Dahlien und viele weitere Sommerblumen hat sie im Gewächshaus vorgezogen und vor den Hof gepflanzt. „Wenn alles klappt, können die Gärtner nach Feierabend noch einen schönen Blumenstrauß mit nach Hause nehmen“, sagt sie voller Vorfreude.

Neben dem Blumenfeld soll dann auch eine Verkaufskiste für Süßkartoffeln stehen. Denn die Kunden der orangen Wurzeln sind vor allem im urbanen Raum zu finden. „Für Hofläden ist das nichts – die Süßkartoffelliebhaber wohnen in der Stadt“, musste Stephan Hesse feststellen. Selbst schmecken sie der Familie am besten aus dem Ofen oder als Chips, man kann sie aber auch roh und gekocht essen oder die Ranken als Spinatersatz verwenden.

Beim Blick auf das vier Hektar große Feld fällt als erstes die schwarze Folie auf, die fest über die Dämme gespannt ist und dafür sorgt, dass sich der Boden erwärmt, das Unkraut unterdrückt wird und weniger Wasser verdunstet. „Das ist Biofolie auf Maisstärkebasis, die im Sommer schon spröde und bei der Ernte gehäckselt wird und dann zerfällt“, erläutert der 51-Jährige. Für den Anbau sei die Folie entscheidend, sonst verzichte man auf die Hälfte des Ertrages. Diese Erkenntnisse musste der Landwirt in den sechs Jahren des Anbaus erst sammeln. „Mittlerweile haben sich in den sozialen Netzwerken gute Kreise gebildet, mit denen wir uns austauschen können“, sagt Hesse.

Unter der Folie verläuft eine aus Israel stammende Tropfbewässerung, die die Pflanzen mit Wasser versorgt. Bereits beim Setzen der Stecklinge wird jedes Pflanzloch mit dem frischen Nass befüllt. „Wir sind kein Beregnungsgebiet, aber es wichtig, dass den Pflanzen einen guten Start zu ermöglichen“, sagt Hesse und zeigt die ersten Wurzelspitzen, die in den Blatt­achseln der am Vortag gepflanzten Stecklinge wachsen. „Wurzeln bilden oder vertrocknen“, lautet der Wettlauf, den jede Pflanze absolviert. Hesse hat sich gegen vorgezogene Pflanzen in Töpfen entschieden, weil sie doppelt so teuer sind wie die Ranken und die Wurzeln im Kreis wachsen, sobald die Pflanzen etwas zu lange im Topf stehen. „Spiralförmige Süßkartoffeln sind aber Ausschuss“, verdeutlicht er.

Trotzdem beginnt das ganze Verfahren bereits mit teuren Pflanzen, das sich nur durch die hohe Marktleistung der Süßkartoffeln rechnet. Die Ranken der in Hildesheim gesteckten Pflanzen stammen von einem Kooperationspartner aus Portugal und werden per Hand durch die gestanzten Löcher in der Folie in den Damm gepflanzt. Dabei setzt die Familie auf eine bewährte Sorte, die ursprünglich aus Louisana stammt. „Wir bauen zwar auch weißfleischige und lilaschalige Sorten an, die finden in den Supermärkten in Hannover und Hildesheim aber noch keine Freunde – das kommt vielleicht noch“, setzt Hesse auf Variationen.

Überhaupt sei die Verbreitung der verschiedenen Sorten weltweit sehr unterschiedlich. Bis in Deutschland buntere Süßkartoffeln nachgefragt werden, dauert es noch. Dem Ziel, dem Kunden vor Ort ein einzigartiges Produkt über Weizen und Kartoffeln hinaus anzubieten, ist der Familienbetrieb mit seinen bunten Betriebszweigen jedoch sehr erfolgreich nähergekommen. (LPD 46/2021)

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