Weinlese 2023: Sonniges Wetter bringt gute Trauben hervor / Anbaufläche wächst
L P D – Auch Niedersachsens Weinbauer sind mitten in oder kurz vor der Weinlese, sprich „Ernte“. Je nach Standort sind die frühen Traubensorten, wie Solaris, schon beim Winzer zur erntefrischen Weiterverarbeitung oder stehen kurz vor der Lese. Während Helmut Bäßmann und Günter Depke vom gleichnamigen Weinhof in der Wedemark bei Hannover ihre Solaris-Trauben schon geerntet haben, rechnet Weinliebhaber und einer der ersten Weinanbau-Pioniere Michael Winkler aus Göttingen mit dem Beginn der Weinlese zum Ende der Woche: „Letzte Woche hatte der Solaris 70 Grad Oechsle (Oe) Zuckergehalt. Aktuell sind es um die 83 Oe und er wird bis zum Ende der Woche bei dem schönen, sonnigen Wetter noch weiter zulegen. Das sieht alles ganz gut aus“, sagt Winkler gegenüber dem Landvolk-Pressedienst. Wie auch die Weinbauern Bäßmann und Depke hofft er auf ein gutes Weinjahr, um anschließend schöne, fruchtige und aromatische Weine aus Niedersachsen anbieten zu können.
Mit 83 Oechsle haben Bäßmann und Depke ihre Solaris-Trauben von der Rebe geholt. „Das ist eine frühe Sorte, wenn wir ihn noch länger stehen gelassen hätten, wäre er zu zuckerreich geworden. Doch wir wollen einen fruchtigen Weißwein mit maximal 11,5 bis 12 Volumenprozent Alkohol haben“, erklärt Landwirt Helmut Bäßmann, der mit Kompagnon Günter Depke 3.000 Kilogramm Solaris geerntet, aber insgeheim mit mehr gerechnet hat. Die Spätfröste im Frühjahr haben den Start zwar erschwert, aber das Wetter mit Sonne und Regen im Wechsel habe dem Wein insgesamt gutgetan. „Keine Krankheiten, er stand gut im Blatt, der Bestand war gesund“, schildert Bäßmann. Die flache Lage habe dies begünstigt, vermuten die Weinbauern aus Meitze, die in der Wedemark auf 2,1 Hektar (ha) ihren Wein anbauen. „Die Rebenfläche steht frei und somit stark im Wind, da trocknet der Regen immer schnell ab“, sieht Depke den Grund für den gesunden Bestand, den sie 2020 begonnen haben zu pflanzen, 2021 weitere Reben setzten und 2023 noch einmal um 2.000 Rotweinstöcke mit der pilzwiderstandfähigen Rotweinsorte „Cabaret Noir“ erweiterten. Niedersachsenweit sind 36 ha Fläche für Weinanbau für 40 Bewilligungsinhaber bewilligt. Zu Beginn im Jahr 2016 waren es gerade einmal 7,5 ha.
„Wir haben sehr sandige Böden hier und mussten anfangs beregnen, damit die jungen Pflanzen einen guten Start haben“, zeigt Bäßmann auf, wie wichtig der Mix aus Sonne und Regen für den Wein ist. Dieses Jahr sind die beiden Weinliebhaber bislang mit der Ernte zufrieden: „Letztes Jahr hat uns schon gezeigt, das wird was. Deshalb haben wir den Mut gefasst und wollen nun mit roten Trauben an den Start gehen. Das wird dann noch interessanter, da wir dann als Roséwein oder Cuvée ausbauen lassen können“, zeigt der 58-jährige Bäßmann auf. Er will den Weinanbau als weiteres Standbein neben Pferdezucht und Pensionspferdebetrieb seines Hofes integrieren. „Rosé ist im Trend, und wir Bauern sind immer offen für Neues und bedienen gerne die Nachfrage“, sagt Bäßmann, der via Direktvermarktung seine fast 600 Flaschen Grauburgunder des Jahrgangs 2022, den er aufgrund des strengen Weinrechts als Passion bezeichnet, schnell an regionale Weinliebhaber verkauft hatte. „Wein ist eine sehr empfindliche Frucht. Den Anbau nur als Hobby zu betreiben, dafür ist für die Meitzer Weinbauern der Aufwand zu groß.
„Ich freue mich dieses Jahr auf eine schwarze Null oder einen kleinen Gewinn. Ab nächstem Jahr kommt auch der junge Cabernet Blanc in den Ertrag“, sagt hingegen Michael Winkler, einer der ersten Winzer, der in Südniedersachsen den Weinanbau wagte. Fast drei Hektar hat er mit sechs Weißwein- und drei Rotweinsorten bepflanzt. Winkler reizt die Vielfalt, sodass er mit den späten Sorten, wie dem Riesling, dann noch bis in den Oktober mit der Weinlese beschäftigt sein wird. „Im Gegensatz zum Solaris ist der Riesling noch schön sauer, der braucht noch ordentlich Sonne, um Zucker umzusetzen“, erklärt er während des Weges durch die zwei Rieslingreihen.
Den Riesling wird Winkler nicht sortenrein ausbauen, sondern als Cuvée, also verschnitten mit den anderen pilzwiderstandfähigen Sorten (Piwi-Reben), um mehr Vielfalt vom Weinberg zu holen. „Deshalb lasse ich sie auch länger reifen, um mehr Aromen in die Frucht zu bekommen“, setzt der Winzer, der auch als Beisitzer im 2019 gegründeten Niedersächsischen Weinbauverband fungiert, auf Geschmacksvielfalt und Experimentieren beim Ausbau seiner Weine. „Mein Winzer freut sich darüber. Wir alle sind gespannt, was aus den Trauben am Ende wird. Denn es gibt ja keine Erfahrungswerte für Niedersachsen, was wo wie am besten gepflanzt wird“, führt der Apotheker aus Göttingen aus.
Winkler ärgert zudem das strenge, deutsche Weinrecht. „Die EU-Weinmarktordnung erlaubt nicht, dass ich meinen Wein mit geschützten geografischen Angaben, wie Riesling oder Göttingen, bezeichnen darf. Das ist bei der Vermarktung ein großer Nachteil“, berichtet er. Deshalb werde der Weinbauverband Niedersachsen die Bezeichnung Landwein als zweite von drei Qualitätsstufen im europäischen Weinbau beantragen. „Bei Weinen dieser Güteklasse dürfen der Jahrgang sowie ausgewählte Rebsorten dann auf dem Etikett angegeben werden“, erklärt Winkler, befürchtet aber eine lange Bearbeitungszeit seitens der Behörden. „Das kann man nur sportlich sehen.“
Sportlich sind sowohl Arbeit und Lese im Weinberg. „Eigentlich müsste es hier gepflegter aussehen, doch dadurch, dass Tennet mir Fläche absperrt, ist das Bewirtschaften noch schwerer geworden“, sagt Michael Winkler und zeigt auf die unübersehbaren Masten, die seine Weinflächen durchschneiden. Mit Studenten, einigen Helfern und Freunden werden die Trauben dann per Hand geerntet. Frühmorgens wird gestartet, damit Winkler gegen Mittag Richtung Freyberg im Weinbaugebiet Saale-Unstrut aufbrechen kann, um die Beeren erntefrisch beim Winzer zur Weiterverarbeitung abzugeben. Auch er vermarktet seinen Wein anschließend direkt und hat mit seinem Rotling Feinherb 2021 und dem Secco beim internationalen „PIWI award“ Gold gewonnen, Silber gab es für den Souvignier gris: „Die Handarbeit im Weinberg mit Pflege und Lese muss man als regionaler Weintrinker zu schätzen wissen – und es gibt immer mehr Liebhaber, die das würdigen“, freut sich Winkler auf die Weine der Saison 2023 und auf 2024, hoffentlich ohne abgesperrte Flächen. (LPD 69/2023)