Unter den Erwartungen

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Milchgipfel Bundesminister Schmidt bekräftigt die Zusage für ein 100-Milionen-Hilfspaket, bleibt aber unkonkret. Dafür schiebt er den Ball zurück: Erzeuger, Molkereien und Handel sollen strategische Planungsgrundsätze vereinbaren.

Nur zum Teil erfüllen konnte der Milchgipfel am Montag die Erwartungen, die aus den Reihen von Politik und Wirtschaft in ihn gesetzt worden waren. Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt zeigte sich dennoch mit den Ergebnissen des mehr als vierstündigen Spitzentreffens der Wertschöpfungskette Milch in Berlin zufrieden. Seine Botschaft: Die Lösung müssen die Marktbeteiligten selbst finden, die Politik wird dabei lediglich unterstützend wirken.

Ein „Weiter so“ in der Milchmarktpolitik könne und werde es nicht geben, betonte der CSU-Politiker. Ziel sei „weniger Milch für bessere Preise“. Schmidt nahm damit Bezug auf den „Branchendialog Milch“, auf den sich die Teilnehmer zuvor verständigt hatten. Der hat das Ziel, Vorschläge zu einer kurzfristigen Reduzierung der Menge und einer langfristigen Neuordnung der Marktstruktur zu erarbeiten. Schmidt sprach von einem notwendigen „Einstieg in eine strategische Rohstoffplanung“, die für alle Seiten Verlässlichkeit mit sich bringe.

DBV: Eine Milliarde nötig
„Der Schlüssel zur Lösung der Krise liegt in den Händen der Bauern, der Molkereien und des Einzelhandels“, so Schmidt. Übereinstimmend hätten alle Verbände die Einschätzung vertreten, dass derzeit europaweit zu viel Milch im Markt sei und kurzfristig Handlungsbedarf bestehe.

Der Minister bekräftigte die Zusage für ein Hilfspaket, ohne dass er die vor Wochen gemachte Ankündigung eines Gesamtvolumens von „100 Mio. plus x“ konkretisierte. Als Bestandteile nannte er die bereits seit längerem diskutierten Liquiditätshilfen und Kreditbürgschaften, eine Anhebung des Bundeszuschusses zur Landwirtschaftlichen Unfallversicherung (LUV) sowie steuerliche Entlastungen. Im Gespräch sind ein Freibetrag zur Schuldentilgung und Möglichkeiten der Gewinnglättung über einen Zeitraum von drei Jahren. Einzelheiten sind aber noch mit dem Bundesfinanzministerium zu klären.

Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied, äußerte die Erwartung, dass die Beschlüsse umgehend in konkrete Maßnahmen münden. Das notwendige Finanzvolumen für Hilfen bezifferte Rukwied auf eine Milliarde Euro. Vereinbarungen über eine Neugestaltung von Lieferbeziehungen müssten innerhalb der nächsten Monate getroffen werden. Einig sei sich der Milchgipfel darin gewesen, dass der Handlungsbedarf vor allem bei den Molkereien bestehe, um neue Wege der vertraglichen Lieferbeziehungen zu gestalten. „Diese Vertragsmodalitäten für eine marktorientierte Mengensteuerung müssen unter Einbeziehung des Lebensmitteleinzelhandels gefunden werden“, betonte Rukwied. Den Lebensmittelhandel sieht der Bauernpräsident gefordert, die jüngsten, „völlig unverantwortlichen Kontraktabschlüsse“ mit den Molkereien neu zu verhandeln.

Der Vorsitzende vom Handelsverband Deutschland (HDE), Josef Sanktjohanser, erteilte Forderungen nach einem Solidarbeitrag des Handels ebenso eine strikte Absage wie Absprachen über Mindestpreise. Er bekräftigte das Interesse des Handels an einer einheimischen Milchproduktion. Staatliche Hilfen müssten konsequent an den nachhaltigen Umbau der Milchwirtschaft gekoppelt sein. Der Handel brauche „langfristig gesunde Strukturen in der Landwirtschaft“.
Die Reaktionen auf den „Milchgipfel“ fielen überwiegend kritisch aus. Als enttäuschend wertete der agrarpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Wilhelm Priesmeier, die Ergebnisse. Offensichtlich sei es Minister Schmidt nicht gelungen, ein tragfähiges Konzept abzustimmen.

„Verpasste Gelegenheit“
Von einer vertanen Chance sprach Grünen-Agrarsprecher Friedrich Ostendorff. Man habe es verpasst, die in Aussicht gestellten Mittel an eine Reduzierung der Milchmenge zu binden. Als „Pseudogipfel“ kritisierte Niedersachsens Ressortchef Christian Meyer die Zusammenkunft. Die Beschlüsse tragen seiner Einschätzung nach nicht zur Problemlösung auf dem Milchmarkt bei. Demgegenüber sieht sein baden-württembergischer CDU-Amtskollege Peter Hauk die Vereinbarungen als „einen ersten guten Schritt“.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil fehlt „nach wie vor ein konkretes Konzept zur Mengenreduktion.“ Auf die Frage, wie er dazu stehe, dass die Länderagrarminister nicht eingeladen gewesen seien, antwortete er, dass dies ein großer Fehler sei, es seien wichtige Stimmen und sie seien sich einig, dass die Menge runter müsse. „Das darf man nicht ignorieren“, sagte er am Montag in Aurich.

„Die Landwirte haben die Signale des Marktes erkannt: Die Milchanlieferungen gehen jetzt zurück“, erklärte Landvolk-Vizepräsident Albert Schulte to Brinke. Damit würden alle Vorschläge zu einer erneuten staatlichen Regulierung des Milchmarktes überflüssig. Aus dem tiefen Absturz der Milchpreise sollten stattdessen Konsequenzen gezogen werden, damit sich die Branche nach einer Konsolidierungsphase besser gegen erneute Marktkrise wappnen können. Dazu zählt der Landvolkvizepräsident neue Instrumente zur Absicherung des Milchpreises und auch der Margen, um sich gegen schwankende Märkte absichern zu können. Auch im Kartellrecht müsse die Position der Erzeugerseite und Verarbeiter deutlich gestärkt werden, um der starken Konzentration auf Handelsseite begegnen zu können.

Von einem „Gipfel der Verantwortungs- und Hilflosigkeit“ sprach Romuald Schaber, Vorsitzender des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter (BDM). Die Ursache der Krise würde wieder nicht angegangen, sondern verlagert. Die Gipfelteilnehmer setzen offenbar darauf, dass sich der Markt zwischenzeitlich von selbst bereinigt, sagte Schaber nach dem Treffen.
AgE/red/PI