Netzausbau Die Verhandlungen der landwirtschaftlichen Vertreter mit den Übertragungsnetzbetreibern verliefen bislang äußerst zäh. Nun stärken zwei Schreiben die Position der Grundeigentümer. Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) will die Entschädigungspraxis beim Ausbau der Stromnetze überprüfen, die Bundesnetzagentur macht sich für einen Beschleunigungszuschlag stark.
Alle Landwirte und Grundeigentümer, die von den aktuellen Planungen zum Netzausbau betroffen sind, sollten auf keinen Fall ungeprüfte Formulare zu Grunddienstbarkeiten unterschreiben, sondern sich zu den rechtlichen Folgen bei den Landvolk-Kreisverbänden beraten lassen. Die Lage ist nämlich sehr kompliziert.
In der ausführlichen Erörterung der bisherigen Rechtslage verweist das Wirtschaftsministerium darauf, dass bisher die Bezugsgröße zur Entschädigung des eintretenden Rechtsverlustes der Verkehrswert der Bedarfsfläche sei. Das BMWi geht davon aus, dass „zur Festlegung der Entschädigungshöhe in der Regel Rahmenvereinbarungen zwischen Landesbauernverbänden und den Netzbetreibern getroffen werden,“ in denen zumeist pauschal 20 Prozent des Verkehrswertes zugrunde gelegt würden. Das BMWi erkennt an, dass in einigen Bundesländern zudem ein moderater Zuschlag für Zeit- und Aufwandsersparnis durch die Netzbetreiber vorgesehen ist. Dies ist auch bei niedersächsischen Verfahren der Fall.
Die heutigen Vertragspartner beim Netzausbau, die an die Haustür der Landwirte klopfen, sind nicht mehr die Staatsunternehmen aus längst vergangenen Zeiten, die im Wege der Sozialpflichtigkeit des Einzelnen die Daseinsvorsorge zum Allgemeinwohl sicherstellen sollen. Vielmehr handelt es sich um Privatunternehmen, die sich allerdings auf die alte Entschädigungspraxis berufen, um die gesetzlich garantierte Rendite des Eigenkapitals in Höhe von über 9 % nicht zu gefährden.
Aus Sicht der Betroffenen bleibt eine angemessene Vergütung weiter fraglich. In einer Verhandlung auf Augenhöhe ist diese auch an den Entschädigungssätzen der Kommunen in Höhe von 40.000 € pro Kilometer Leitungstrasse zu bemessen.
Dabei hat der Deutsche Bauernverband durch ein Gutachten von Prof. Dr. Nico Grove belegt, dass eine jährliche Nutzungsvergütung lediglich marginale Auswirkungen auf die Endkundenstrompreise nach sich ziehen würde. Nach Berechnungen des Gutachtens erhöht sich durch die Einführung der zusätzlichen Nutzungsvergütung der Endkundenstrompreis pro kWh von 0,0002 Cent im Jahr 2012 auf 0,008 Cent im Jahr 2020. Für einen Durchschnittshaushalt mit einem Jahresverbrauch von 3.500 kWh errechnet sich eine jährliche Mehrbelastung von gerade 28,62 Cent!
Auch in der Frage des Beschleunigungszuschlags bestehen zwischen einigen Landesbauernverbänden und den Netzbetreibern Differenzen. Im vergangenen Jahr gewährte TenneT in den Verhandlungen mit dem Bayerischen Bauernverband, unter Beteiligung der Bundesnetzagentur, für die Errichtung einer Höchstspannungsleitung einen Beschleunigungszuschlag von 0,50 €/qm Schutzstreifen der 380 kV-Leitung. In gleicher Höhe dotierten Zahlungen zur Errichtung von 380 kV-Leitungen im Rahmen des EnLAG und NABEG an Grundeigentümer in Schleswig-Holstein.
In neueren Angeboten, speziell in Niedersachsen, wird auf eine Regulierung durch die Bundesnetzagentur verwiesen und der Beschleunigungszuschlag auf 0,30 €/qm Schutzstreifen gekürzt. Pikanterweise sollten die betroffenen Eigentümer und Bewirtschafter trotzdem weit vor Planfeststellungsbeschluss notariell in die dauerhafte Inanspruchnahme der Grundstücke einwilligen, um überhaupt diese Zahlung zu erhalten.
DBV-Präsident Joachim Rukwied hat in einem Schreiben an Jochen Homann, Präsident der Bundesnetzagentur, kritisiert, dass „Netzbetreiber unter Verweis auf die Bundesnetzagentur unterschiedliche Wege beschreiten wollen. Dies betrifft insbesondere die Gewährung eines Zuschlags, wenn die erforderlichen Dienstbarkeiten zeitlich beschleunigt eingeräumt werden.“ In seiner Antwort stellt Homann klar: „Ein Beschleunigungszuschlag ist eine Prämie, die dazu dient, langwierige Rechtsstreitigkeiten mit Verzögerungswirkung zu vermeiden. Um es vorwegzunehmen, die Bundesnetzagentur stellt die Gewährung eines Beschleunigungszuschlags von bis zu 50 ct/m nicht in Frage.“ Allerding wies er auch darauf hin, dass dieser Zuschlag jedoch nicht 50 % des Verkehrswertes eines Grundstücks übersteigen dürfe, um die Sachgerechtigkeit der Entschädigungszahlungen im Ganzen zu gewährleisten.
Bleibt also die Frage der wiederkehrenden Vergütung weiter offen. Ein Angebot für eine Einigung der hochrentablen privaten Übertragungsnetzbetreiber zum Netzausbau auf privaten Grundstücken sollte Grundstückseigentümer und Bewirtschafter als Vertragspartner auf Augenhöhe behandeln. Es verbietet sich folglich ein Verharren auf althergebrachten Ritualen.
Andreas Jordan
Landvolk Niedersachsen