Ehrenamt Mehr als dreieinhalb Jahrzehnte war Werner Hilse beim Landvolk im Ehrenamt aktiv. 15 Jahre lang führte er als Präsident den Landesbauernverband. Am Montag nahm er in Hannover seinen Abschied. Ein politischer Rückblick.
Mehr als 35 Jahre ehrenamtliche Arbeit für das Landvolk Niedersachsen hat Werner Hilse vorzuweisen, zum Jahreswechsel scheidet er nun als Präsident des Landesbauernverbandes aus.
Schon 1981, mit knapp 30 Jahren, wird Hilse zum Bezirksvorsitzenden in Schnega-Bergen gewählt. Sieben Jahre später rückt er zum Vorsitzenden des Kreisverbandes Lüchow-Dannenberg auf, einen durch den Standort Gorleben schwierig zu führenden Kreisverband.
In der Runde der Kreisvorsitzenden fällt der „Neue“ aus dem Wendland rasch auf. Schon 1990 wird er zu einem von zwei Vizepräsidenten im Landvolk Niedersachsen gewählt. Hilse übernimmt im Landesverband den Vorsitz im Ausschuss für Umwelt, der Vorsitz im Getreideausschuss kommt hinzu.
„Mehr Fachkompetenz und Sachverstand in der Gesetzgebung“ mahnt der junge Vizepräsident schon in dieser Zeit an. Der Bauernverband wird zwar stets als mächtiger Lobbyverband zitiert, aber die Politik entzieht sich doch immer wieder den abgewogenen Ratschlägen des Verbandes. Auch heute noch vermissen Bäuerinnen und Bauern bei politischen Entscheidungen nur zu oft den fachkundigen Blick auf landwirtschaftliche Detailfragen.
Sein Credo: Bauern verstehen ihr Handwerk
Bereits bei seinen ersten Auftritten auf Bauernversammlungen bezeichnet sich Hilse selbst als „leidenschaftlichen Verfechter“ marktwirtschaftlicher Prinzipien.
Genauso überzeugt ist der eloquent auftretende Präsident von dem unternehmerischen Geschick der bäuerlichen Familienbetriebe. „Sie verstehen ihr Handwerk“, versichert Hilse zum 60. Gründungsjubiläum des Landvolkes Niedersachsen vor Journalisten und bezeichnet die Landwirtschaft 2007 als „echte Zukunftsbranche“ – eine Einschätzung, zu der er heute genauso steht wie vor zehn Jahren. Dazu setzt er auf freie Märkte und gut informierte Landwirte, die für sich selbst Chancen und Risiken auszuloten wissen. So sieht es auch die weit überwiegende Mehrheit der Mitglieder, wie sich in Diskussionen zu verbandspolitischen Einschätzungen immer wieder zeigt.
Das deutliche Bekenntnis zum selbstbestimmten Unternehmertum zieht sich wie ein roter Faden durch die ehrenamtliche Tätigkeit Hilses. Im heimischen Wendland macht sich der Ackerbauer und Schweinemäster für den Bau einer Kartoffelstärkefabrik stark. Nachdem er die damals in wirtschaftlich schwieriger Situation befindliche Wendlandstärke dem niederländischen Avebe-Konzern angliedern kann, übernimmt er in diesen Gremien Verantwortung, lernt Holländisch und ist zuletzt stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender im Unternehmen.
Im Kartoffelbereich kommen eine Reihe weiterer Ämter hinzu, so gründet er den Verband der Europäischen Stärkekartoffelerzeuger CESPU. Ebenso ist er Mitbegründer des Bundesverbandes der Stärkekartoffelerzeuger BVS und der Union der Deutschen Kartoffelwirtschaft Unika. In allen drei Verbänden hat er mehr als zehn Jahre den Vorsitz inne. Hilse begleitet auch die Geschicke einiger Unternehmen der Lebensmittelwirtschaft.
2002 wird Hilse zum Präsidenten gewählt
Im Dezember 2002 bestimmen die Delegierten Hilse zum ersten Mal zum Präsidenten, weitere vier Mal bestätigen sie im Laufe der Jahre dieses Votum. Mit 15 Jahren Amtszeit kann Hilse zum Abschluss die zweitlängste Amtszeit nach Edmund Rehwinkel aufweisen. Der Gründerpräsident Rehwinkel hielt sich respektable 24 Jahre an der Spitze des zweitgrößten Landesverbandes im Deutschen Bauernverband. In dessen Präsidium wurde Hilse 2006 in Magdeburg gewählt und bringt sich für den DBV als „Außenminister“ auf internationaler Bühne und im europäischen Bauernverband Copa ein.
Diese Ämter sowie seine unternehmerischen Aktivitäten und das Amt als CMA-Aufsichtsratsvorsitzender führen ihn immer wieder auf Auslandsreisen. Sie ermöglichen Hilse tiefe Einblicke in die Land- und Agrarwirtschaft vieler Länder. Hieraus schöpft er seine Kenntnisse über Handel und Wertschöpfung, die seinen Realitätssinn schärfen. Er stellt dabei fest, dass den deutschen und niedersächsischen Landwirten längst nicht die Anerkennung und Wertschätzung entgegengebracht wird, wie sie Bauern in anderen Ländern erfahren.
Auf dieser Beobachtung basiert Hilses tiefes Bekenntnis zu offenen Märkten. „Marktorientierung und Wettbewerbsfähigkeit“ sind für ihn keine Leerformeln, er füllt diese Begriffe mit Leben und sieht den Verband in der Pflicht, die Mitglieder auf dem Weg dorthin zu begleiten und zu unterstützen. Schließlich stellt auch die EU in der Amtszeit Hilses die Weichen eindeutig in Richtung Markt und stellt die Landwirtschaft damit zugleich vor enorme Herausforderungen. Sie gibt den Landwirten damit aber auch ein Stück unternehmerische Freiheit zurück.
Öffentlichkeitsarbeit wird immer wichtiger
Ganz neue Herausforderungen kommen in Niedersachsen 2011 mit dem vom Land aufge-legten Tierschutzplan und auf EU-Ebene mit dem Greening auf die Landwirte zu. Hilse lädt den damaligen EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos nach Niedersachsen auf mehrere Höfe am Steinhuder Meer ein. Der rumänische EU-Politiker ist tief beeindruckt von den Betrieben, die mit sehr viel Rücksicht auf die Natur wirtschaften. Seine Greeningpläne setzt er gleichwohl um, jedoch mit einer großen Flexibilität, die regionale Besonderheiten berücksichtigt.
Noch härtere Auseinandersetzungen zieht der Tierschutzplan nach sich. Die Diskussionen dazu werden nach dem Regierungswechsel 2013 durch einen grünen Minister weit in die Gesellschaft getragen. Dieser polarisiert stark, für den Landvolkpräsidenten und seine Mannschaft eine ganz neue Erfahrung. Hilse muss für die Landwirtschaft plötzlich harte Debatten darüber führen, wie Landwirte ihre Tiere zu halten und ihre Felder zu bewirtschaften haben. Öffentlichkeitsarbeit, in Niedersachsens Landwirtschaft von jeher hoch angesiedelt, gewinnt noch stärker an Bedeutung.
Werner Hilse weiß bei all seinen Ehrenämtern den Hof im heimischen Warpke bei Ehefrau Karin, einer Agraringenieurin, in äußerst fachkundiger Obhut. In dem kleinen Ort im Wendland, wohin die Familie seines Vaters vom Truppenübungsplatz Bergen umgesiedelt worden war, ist der scheidende Landvolkpräsident geerdet. Hier engagiert er sich in den Vereinen und hier hat er Freunde und Familie, drei inzwischen erwachsene Kinder zählen dazu. In den kleinen Ort im ehemaligen Zonenrandgebiet lädt er auch gerne Wegbegleiter ein. Familie Hilse führt ein gastfreundliches Haus.
Die große Landvolkfamilie, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Landesgeschäftsstelle des Landvolkes sowie den Kreisverbänden und nicht zuletzt die Redaktion der LAND & Forst wünschen Werner Hilse weiterhin Schaffenskraft, beste Gesundheit und Muße für alle die Vorhaben und Pläne, für die der Terminkalender bisher kaum Lücken ließ.
LPD/Br
Engagiert für Europa
Werner Hilse danke ich für den bedeutenden Beitrag, den er beim europäischen Bauernverband Copa und damit für 23 Millionen Landwirte/innen in der EU geleistet hat. Er hat sich lange Zeit erfolgreich für sie und ihre wertvolle Arbeit eingesetzt. Sein Anliegen war, dass die EU-Landwirtschaft nachhaltig, innovativ, stark und wettbewerbsfähig ist und eine halbe Milliarde EU-Bürger mit sicheren Lebensmitteln versorgt. Engagiert hat er Entscheidungsträgern praktische Auswirkungen vorgeschlagener Maßnahmen vor Augen geführt.
Hervorzuheben ist sein Einsatz für eine starke Gemeinsame Agrarpolitik (GAP), die in der Lage ist, die EU-Bürger mit hochwertigen Lebensmitteln zu versorgen und gleichzeitig den Landwirten ein faires und stabiles Einkommen zu sichern. Darüber hinaus setzte er sich für ausgewogene Handelsabkommen ein, die die Lebensgrundlage der Landwirte nicht gefährden. Dafür werden wir auch in Zukunft kämpfen.
Pekka Pesonen, Generalsekretär von Copa-Cogeca
Wort mit hohem Gewicht
Politische Weitsicht und Diplomatie, Marktorientierung und unternehmerischer Blick, Mut zu Veränderungen, Hartnäckigkeit in der Interessenvertretung und nicht zuletzt ein leidenschaftliches Engagement für einen starken Bauernverband – das beschreibt die erfolgreiche Arbeit von Werner Hilse. Er steht für die Eigenverantwortung der Bauernfamilien, für Verlässlichkeit und nicht zuletzt auch für die Bereitschaft zum Dialog zwischen Landwirtschaft und Gesellschaft.
Sein Wort, sein Rat hat im DBV hohes Gewicht. Seine Vernetzung in der Lebensmittelwirtschaft nutzte er zum Vorteil der heimischen Landwirtschaft. Stellvertretend dafür sei die Initiative Tierwohl genannt. Als langjähriger „Außenminister“ des DBV hat er sich für ein gemeinsames Europa und eine leistungsfähige EU-Agrarpolitik in Brüssel eingesetzt. Der Deutsche Bauernverband und die heimische Landwirtschaft verdanken Werner Hilse sehr viel.Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV)
Danke, Werner!
Wir sind stolz und dankbar, dass unser Kreisvorsitzender aus Warpke an entscheidender Stelle in Niedersachsen, Deutschland und Europa für die Bauern gewirkt hat. Trotz der deutschland- und europaweiten Verantwortung bliebst Du all die Jahre in Eurem Betrieb und in der Region verwurzelt. In den vielen Jahren Deines Einsatzes bist Du stets offen, innovativ, zielstrebig und standfest geblieben – eben ein echter (NordOst)Niedersachse.
Zuhören, zupacken und zusammenarbeiten, das ist Deine Art. Zum Abschied bekommst Du das, was in den vergangenen Jahrzehnten viel zu kurz gekommen ist: Dank und Anerkennung für Deine außergewöhnliche ehrenamtliche Leistung für uns Bauern.
Nun gönnen wird Dir von Herzen einen Abschnitt, in dem Du, wie Du es Dir selbst gewünscht hast, „kurz vor der Langeweile“ bist. Danke, Werner!
Thorsten Riggert, Vorsitzender des Bauernverbandes Nordostniedersachsen