Der neue Minister will im Dialog lernen

Der neue Minister will im Dialog lernen - Foto: Precht
Foto: Precht

Agrarwende     So viele Besucher hat der landwirtschaftliche Verein
Wedemark in seinem knapp 90jährigen Bestehen wohl selbst in besten Zeiten
nicht gehabt. Mehr als 100 Gäste zog der Verein an, der im Dezember den
agrarpolitischen Sprecher der Grünen als Gastreferent eingeladen hatte und
Ende Februar den Minister bekam, wie Vorsitzender Andreas Schröder stolz
feststellte. Mehrere Journalisten und als Premiere zwei Fernsehteams gab
es als Zugabe oberdrauf.

Gut 15 Minuten legt Christian Meyer bei
seinem ersten Auftritt vor Landwirten vor und spricht von einem „guten
Riecher“, direkt an der Basis anzufangen. Auffallend häufig fällt das Wort
„Dialog“, bislang hatte der grüne Agrarpolitiker im Landtag als Vertreter
der Opposition eher auf Attacke gesetzt. „Der Dialog steht über Allem“,
meint Meyer im Saal der Gastwirtschaft Bludau in der Wedemark versöhnlich
und spricht von einem „Leitbild für eine neue Landwirtschaft“. Darüber
will er mit Landwirten, Kommunen und allen Akteuren im ländlichen Raum
diskutieren und im Dialog auch lernen.
Zum Einstieg in seinen Vortrag
widmet Meyer einige Anmerkungen den jüngsten Skandalen um Legehennen und
Pferdefleisch und distanziert sich von „systematischer
Verbrauchertäuschung“. Immer wieder geht es um die Unterschiede zwischen
Groß und Klein. „Soll man großen Konzernen Geld nachwerfen?“, fragt der
neue Minister. Er macht sich vielmehr für eine Förderung klein- und
mittelständisch strukturierter Betriebe stark, beispielsweise bei der
Einzelbetrieblichen Förderung und den Direktzahlungen. Hier will er
Degression und Kappung zulassen, im Gegenzug die Zweite Säule stärken,
hier soll sich zukünftig das Agrarland Nr. 1 wiederfinden. Subventionen
will Meyer an Akzeptanz ausrichten, mehr für Agrarumweltmaßnahmen
ausgeben, den Ökolandbau stärker fördern, Gentechnik weiter ausschließen.
Den von Vorgänger Gert Lindemann aufgelegten Tierschutzplan will er „im
Dialog“ fortsetzen und „schauen, wo weitere Verbesserungen“ möglich sind.
„Öffentliche Gelder für öffentliche Leistungen“ sollen selbständigen
Familienbetrieben ebenso wie ihren Mitarbeitern gute und faire Löhne
ermöglichen. Dazu will der Minister die „Verbraucher ein Stück weit
packen“.

Nachfragen dazu wie auch nach der Definition eines
bäuerlichen Familienbetriebes weicht der neue Chef im Niedersächsischen
Landwirtschaftsministerium geschickt aus: Sozialpolitik dürfe nicht über
die Preise für landwirtschaftliche Produkte geschehen. Er distanziert sich
von Intensivtierhaltung als Massenproduktion und beruhigt die Zuhörer, 80
bis 90 Prozent der niedersächsischen Höfe seien bäuerlich. Größenordnungen
in der Tierhaltung beziffert er nicht. Stattdessen spricht er von einer
„Prozessdefinition“. Deutlicher wird er bei Gewässerschutz und Maisanbau,
der von den Grünen über das EEG in der Fruchtfolge forciert wurde. Hier
fällt das Stichwort „Überförderung“, bei Nährstoffüberschüssen plant Meyer
deutliche Einschnitte, auch den Antibiotikaeinsatz will er kräftig
reduzieren. Auf die Frage, wie es in der Landwirtschaft in Zukunft laufen
solle, wünscht sich der Minister mehr gesellschaftliche Akzeptanz für die
Bauern und verspricht ihnen: „Sie müssen mit der Agrarwende Geld verdienen
können“.
Gut eine Stunde beantwortet der neue grüne Minister
mit sichtlicher Freude an der neuen Rolle die Fragen des
landwirtschaftlichen Vereins, unter den Gästen sind nicht nur Bauern.
Unter denen sind anschließend Einige begeistert, „ der weiß, wovon er
spricht“, Andere bleiben abwartend bis skeptisch, „der kann die Folgen
nicht abschätzen“. Vorsitzender Andreas Schröder, selbst Biobauer,
verabschiedet den Minister mit den biblischen Worten: „An ihren Taten
sollt ihr sie erkennen“. Aber die dringen schon nicht mehr in das Ohr des
Ministers, weil er noch ein Statement in die Fernsehkameras sprechen muss.   Gabi von der Brelie
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Bekenntnis zum Agrarland Nr. 1

Winsen     „Heute bin ich der
Bauerntagsretter“, freute sich Christian Meyer, Niedersächsischer Minister
für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Am 13ten Tag seiner
Amtszeit konnte der Minister für alle Milchviehhalter in Niedersachsen bei
Aflatoxin Entwarnung geben. Verärgert äußerte sich Meyer allerdings über
die Futtermittelindustrie. Sie habe die Eigenkontrollen trotz
rechtzeitiger Warnungen nicht hinreichend ernst genommen und teilweise
Lieferlisten zu spät eingereicht. Damit wurde eine noch schnellere Lösung
vereitelt.

Danach zeichnete Christian Meyer die Grundlinien seiner
Politik, die vor allem kleine und mittlere Betriebe stärken soll (bitte
beachten Sie dazu Seite 10). In der Diskussion wurde vor allem die Skepsis
der Landwirte deutlich, dass Lebensmittel der Premiumqualität am Markt
auch den entsprechenden Preis erlösen können.

Kreislandvolk-Vorsitzender
Rudolf Meyer hatte zuvor in seinem Einführungsreferat bedauert, dass die
konventionelle Landwirtschaft durch stete Nörgelei ungerecht behandelt
werde. Es werde der Eindruck erweckt, allein die Bioschiene erfülle den
Standard der politisch korrekten Versorgung mit Lebensmitteln, sagte Rudi
Meyer. Dabei halte die deutsche Agrarwirtschaft jedem Vergleich in der
Welt stand, auch beim Tier- und Umweltschutz.
Cord-Christian Precht