Geiz ist geil ist bald wieder vorbei

Geiz ist geil ist bald wieder vorbei -

Trends Das Kaufverhalten von Kunden, Vermarktungskonzepte im Handel und Schlüsseltrends in unseren Konsumwelten – einen Blick in die Zukunft versuchte der siebte Norddeutsche Gemüsebautag, zu dem die Fachgruppe Gemüsebau Norddeutschland nach Hamburg geladen hatte. Für viele Erzeuger dürfte sich die regionale Vermarktung auch zukünftig weiter auszahlen.

Zunächst warf Thomas Albers, Vorsitzender der Fachgruppe, jedoch einen Blick auf die abgelaufene Saison. Die Gemüsebauern blieben 2013 zwar von großen Krisen verschont, doch Wetterkapriolen wie Hagel und Überschwemmungen sorgten bei den Erzeugern für Sorgen, resümierte er. „Zugleich leiden viele Betriebe durch die EEG-Umlage unter hohem Kostendruck. Bisher sei es nicht gelungen, eine Befreiung für die Gemüsebaubetriebe durchzusetzen. „Der arbeitsplatzfeindliche Rationalisierungsdruck wird dadurch verschärft“, sagte Albers und kündigte dazu weitere Gespräche auf Bundesebene an. Auch der flächendeckende Mindestlohn von 8,50 Euro spätestens ab 2017 bereite den Erzeugern Sorgen. Sie fordern einen Sonderfall für Erntehelfer in der Obst- und Gemüsebranche und zwar zusammen mit der Bundesfachgruppe Gemüsebau.

Die Bundesfachgruppe schalte sich zudem immer wieder ein, wenn es um Notfallgenehmigungen für Pflanzenschutzmittel gehe, wie bei Afalon und Proman in 2013, sagte deren Vorsitzender Christian Ufen. „Neben dem Mindestlohn sind auch die Düngemittel in 2014 für uns ein großes Thema, insbesondere die Bilanzierung beim Flächentausch“, betonte er. Sicher sei, dass die Dokumentationspflichten für Erzeuger zunehmen werden.

„Resistenzen nehmen auch bei hoher Mitteldosierung zu“, warnte Arno Fried, Obstbauberater beim Landratsamt Karlsruhe. Die Erzeuger müssten daher verschiedene Pflanzenschutzmittel im Wechsel aufbringen, was einerseits den Kostendruck bei den Betrieben verschärfe und andererseits durch zusätzliche Forderungen des Lebensmitteleinzelhandels (LEH), die Anzahl der Wirkstoffe je Probe zu begrenzen, problematisch werde. „Die Bemühungen des Integrierten Pflanzenbaus werden durch Forderungen des LEH unterwandert“, betonte er. Ziel sollte es bleiben, so wenig Pflanzenschutzmittel wie möglich, jedoch so viel wie nötig einzusetzen.

„Darfs ein bisschen mehr sein?“ Unter dieser Überschrift beleuchtete Prof. Hendrik Schröder von der Universität Duisburg-Essen das Kaufverhalten der Kunden und Vermarktungskonzepte im Handel. Kaufentscheidungen würden von verschiedenen Einflüssen bestimmt. Dazu zählen kognitive Merkmale wie der Preis ebenso wie physikalische (sehen, riechen, schmecken) oder emotionale. Besonders komplex ist der emotionale Bereich, denn heute wolle der Kunde beim Einkauf zum einen etwas erleben, zum anderen seien Entspannungsphasen durchaus erwünscht.

Die Verkaufsfläche im Einzelhandel sei bereits üppig. „Wir brauchen Säuberungsprozesse in vielen Branchen, die den Bedürfnissen der Kunden nicht entgegenkommen“, sagte Schröder und verwies auf aktuelle Beispiele wie Schlecker oder Max Bahr. Erfolgschancen machte Schröder vor allem bei der Vernetzung mehrerer Vermarktungswege aus. Wer es schaffe, die verschiedenen Einkaufswege Online shoppen, liefern lassen, Bestelltes abholen oder persönlich einkaufen miteinander zu verknüpfen, habe die besten Karten. Bei Lebensmitteln tue sich derzeit einiges. So würde das Angebot regionaler Lieferdienste steigen, auch für Obst- und Gemüse. Andere Einzelhändler würden im Laden Ruhezonen einrichten, wo der Kunde eine Einkaufspause machen kann.

Viele dieser Aussagen unterstrich Trendforscher Dr. Eike Wenzel vom Institut für Trend und Zukunftsforschung Heidelberg. Dort werden sogenannte Megatrends erforscht, die sich über einen Zeitraum von 30 bis 50 Jahren erstrecken. Der Anteil des Online-Handels am Einzelhandel dürfte demnach bis 2030 von derzeit fünf Prozent auf dann 20 Prozent zunehmen. „Der klassische Handel wird dabei nicht sterben, aber sich erheblich wandeln“, sagte Wenzel. Es gebe bereits eine neue „Mitte des Konsums“, die eine hohe Qualität zu günstigen Preisen erwarte. Gleichzeitig müssten die Erzeugnisse transparent produziert werden. „Im 21. Jahrhundert kommt der Handel zu dem Menschen und bringt ihm Convenience 2.0“, lautete eine seine Thesen. Das biete Chancen für bisher ungewöhnliche Einkaufsmöglichkeiten, wie z.B. den Supermarkt in der U-Bahn-Station, aber auch den dezentralen Kaufmann, der seinem Sortiment eine persönliche Handschrift geben und Kundenähe schaffen kann. Gleichzeitig bedeute der Trend ein Ende der „Geiz ist geil-Ära“ und des reinen Versorgungskonsums.

Nach diesen recht bunten Vorträgen hatte es Simon Behrens von der Bundesnetzagentur schwer, seinen Zuhörern die EEG-Umlage näher zu bringen. Er erläuterte, wie Landwirte es schaffen könnten, ihren Stromverbrauch zu günstigeren Zeiten zu verschieben. Naturgemäß blieb er aber die Antwort auf die Frage schuldig, die allen auf den Nägeln brannte: Wie sie von der Umlage befreit werden könnten.
Katja Schukies