Mehr Freiheit, mehr Verantwortung

Mehr Freiheit
Foto: landpixel

GAP-Reform Wird das Leben der Landwirte nach 2020 einfacher? Was ist damit gemeint, dass auch Bauern Verantwortung für den Markt haben? Auf der Grünen Woche beantwortete Agrarkommissar Phil Hogan diese und andere Fragen.

Viele sagen ‚Öffentliches Geld für öffentliche Leistungen‘ und meinen damit Tierschutz und Umweltschutz. Was verstehen Sie darunter?
Die wichtigste ‚öffentliche Leistung‘ ist die Fähigkeit des Landwirts, Nahrung zu produzieren. Hinzu kommen beispielsweise Kulturlandschaft, starke ländliche Räume und viele andere Aspekte. Dennoch werden wir von unseren Landwirten in der neuen GAP auch erwarten, mehr für die Umwelt und die Gesellschaft, in der sie leben, zu tun. Sie werden dafür aber auch weiterhin finanzielle Unterstützung erhalten.

Was meinen Sie mit ‚mehr tun‘?
Wir müssen unsere internationalen Verpflichtungen respektieren, etwa beim Klimaschutz. Auch die Landwirte müssen dazu beitragen, dass wir unsere internationalen Ziele erfüllen.

Wie viel Freiheit können Landwirte in der neuen GAP erwarten? Ziele, Finanzmittel und Kontrollhoheit bleiben ja weiter bei der Kommission.
Künftig werden die EU-Staaten Pläne ausarbeiten, wie sie die europäischen Vorgaben erfüllen. Das wird für mehr Flexibiltät bei der Umsetzung sorgen. Ich höre ständig Beschwerden über Komplexität und Überregulierung – jetzt tun wir etwas dagegen.

Könnten Veterinärkontrollen bei Cross-Compliance vorher angemeldet werden?
Unangemeldete Kontrollen durch den EU-Rechnungshof wird es immer geben. Die Verwendung von Steuermitteln muss schließlich sichergestellt werden.
Ein Staat setzt EU-Recht bauernfreundlich um. Nach einer EU-Kontrolle gibt es eine neue Auslegung, die auch rückwirkend gilt, und der Staat kann bestraft werden.

Wird sich an diesem System etwas ändern?
Wir müssen von einer Situation wegkommen, wo Brüssel Regeln festlegt, die Landwirte und Staaten dann interpretieren müssen. Deswegen wollen wir von einem System der Regeln und Kontrollen hin zu einer ergebnisorientierten Lösung. Was Sie beschrieben haben, ist genau die Art von unsinniger Situation, die wir in Zukunft nicht mehr haben wollen.

Aber EU-Kontrollen wird es doch weiterhin geben?
Ja, aber viel weniger als heute. Die Staaten werden künftig im Auftrag der EU kontrollieren. Statt fünf Prozent Vor-Ort-Kontrollen werden wir nur noch ein Prozent haben.

Welche Folgen hätte es, wenn Großbritannien ohne gemeinsames Freihandelsabkommen aus der EU austritt?
Es wird ein Freihandelsabkommen geben. Wir wissen aber noch nicht, wie es aussehen wird. Gespräche werden erst nach dem Brexit beginnen, also im März 2019.

Viele Landwirte sind wegen der Handelsgespräche mit dem Mercosur-Block besorgt. Wie wichtig ist ein solches Abkommen der EU?
Es geht um ein Handelsvolumen, das viermal so groß ist wie das mit Kanada. Natürlich ist uns so ein Abkommen sehr wichtig. Wir werden Zugeständnisse im Agrarbereich machen müssen, um ein Gesamtpaket schnüren zu können. Im Milchbereich haben wir übrigens starke Exportinteressen und erwarten uns neuen Marktzugang.

70.000 Tonnen neue Rindfleischquote für Mercosur sind kein kleines Zugeständnis.
Das stimmt, aber es kommen bereits 236.000 Tonnen von dort in die EU. In Japan haben wir 65.000 Tonnen neuen Marktzugang für Rindfleisch bekommen, und wir sind zuversichtlich, dass unter dem Strich ein ausgewogenes Ergebnis für unsere Landwirtschaft herauskommt.

Wie geht es nach 2020 mit der Intervention weiter? Geht es hin zu mehr unangekündigter ‚Blitzintervention‘?
Bei der Gemeinsamen Marktordnung erwarte ich nach 2020 keine großen Änderungen. Wir haben uns neue Formen der Intervention angeschaut. Sie sind nur äußerst schwer umzusetzen. Mehr Unterstützung für betriebliches Risikomanagement halte ich für sehr sinnvoll. Maßnahmen zur Stärkung der gemeinsamen Verhandlungsposition von Landwirten wurden bereits beschlossen. Und das sind nur zwei Beispiele für Stellschrauben, an denen wir drehen. Der Bürokratieabbau ist eine weitere, ganz entscheidende.

So richtig scheint die Intervention aber nicht zu funktionieren –  fast 400.000 Tonnen Magermilchpulver sind eingelagert.
Gerade erst haben wir zum ersten Mal eine bedeutende Menge verkauft: knapp 2.000 Tonnen. Sie sind ein Anfang. Wir können das Pulver nur am Markt verkaufen – aber angesichts der aktuellen Lage bin ich optimistisch, dass wir hier in absehbarer Zeit deutlich weiter sein werden.

Sie sagten wiederholt, dass auch die Landwirte Verantwortung für ihren Markt haben. Was meinen Sie konkret?
Milchbauern müssen Marktsignale lesen und ihre Produktion anpassen. Voraussetzungen dafür schafft unter anderem unsere EU-Beobachtungsstelle für den Milchmarkt. Wenn Landwirte Marktsignale ignorieren, werden sie mit niedrigeren Preisen leben müssen.

Was kann die Kommission angesichts voller Interventionslager tun, sollten wir in in eine neue Milchpreiskrise rutschen?
Die Instrumente haben sich seit der letzten Krise nicht verändert. Klar ist, dass in Zukunft nicht mehr so viele öffentliche Gelder zur Verfügung stehen werden, um den Milchbauern zu helfen. Wir müssen die Bauern darum über Risiko- und Krisenmanagementinstrumente in die Lage versetzen, selber solche Zuspitzungen wie in der Vergangenheit zu vermeiden.

Was halten Sie vom freiwilligen Lieferverzicht, den die EU 2016 durchgeführt hat?
Das Instrument ist eines von mehreren, das in der Vergangenheit funktioniert hat. Es bleibt als Option weiter auf dem Tisch. Aber ob es wieder zur Anwendung kommt, müssen die EU-Staaten entscheiden – und auch finanzieren.
Interview: Simon Michel-Berger
(leicht gekürzt aus dem
Bayerischen Landwirt­schaftlichen Wochenblatt)