„Nehmen sie uns mit in die Zukunft!“

Nehmen sie uns mit in die Zukunft! -

Landvolk Miteinander im Gespräch bleiben, die Landwirtschaft weiter entwickeln und dabei die Wirtschaftlichkeit nicht aus den Augen verlieren. Diese gemeinsamen Ziele vertraten Ministerpräsident Stephan Weil und Landvolkpräsident Werner Hilse auf der Mitgliederversammlung des Verbandes in Hannover.  In den Zwischentönen waren dennoch leichte Unterschiede herauszuhören.

Wirtschaftlich stehe Niedersachsens Landwirtschaft gut da, freute sich der Präsident, umso mehr verunsichere die „politische Gangart“. Die Landwirte wollten wissen, wie die europäische Agrarreform umgesetzt werde, welchen Stellenwert die Landwirtschaft in Berlin künftig habe, und was aus der angekündigten Agrarwende in Hannover werde. In erster Linie dieser politische „Kampfbegriff“ verunsichere, egal ob er sanft oder nach vorne gerichtet sei, sagte Hilse. Sorgen verursache das Projekt  mit der Fülle der verschiedenen Vorschläge und mache Planungssicherheit immer mehr zum Fremdwort.

Die Bauern hätten ihre Höfe mit viel Eigeninitiative und unternehmerischem Weitblick für die Zukunft ausgerichtet. „Sie orientieren sich bei ihren Planungen an der Nachhaltigkeit, beobachten die Märkte und verbessern ihre Wettbewerbsfähigkeit“, betonte Hilse vor rund 200 Delegierten und 100 Ehrengästen. Die Präzisionslandwirtschaft sei auf den Höfen längst Alltag. Dem stehe ein Klima des Misstrauens und kollektiver Verdächtigungen gegenüber.
Hilse wünschte sich von der Politik mehr Unterstützung und auch etwas Werbung für die Landwirtschaft. „Nehmen Sie uns mit auf dem Weg in die Zukunft“, warb er bei Weil und Landwirtschaftsminister Christian Meyer für eine noch bessere Zusammenarbeit und noch mehr Wertschätzung. Die Landwirte wollten ihre Höfe für eine junge, gut ausgebildete Generation erhalten und entwickeln.Ausdrücklich bedankte sich Hilse beim Ministerpräsidenten für sein offenes Ohr im Verlauf der Koalitionsgespräche in Berlin.

Die wirtschaftliche Bedeutung der niedersächsischen Agrar- und Ernährungswirtschaft erkannte Weil, der sich als „typische Großstadtpflanze“ bezeichnete, an und würdigte die Branche zugleich als wichtigen Arbeitgeber. Er schlug von hier den Bogen zu einem Agrarland Niedersachsen, das bei aller Spezialisierung von starken bäuerlichen Betrieben geprägt sei. Weil schob später nach, das Land wolle in erster Linie kleine und mittlere Höfe unterstützen, der bäuerliche Mittelstand sei in Niedersachsen prägend.
Er hob auf die gesellschaftlichen Entwicklungen ab, die noch mehr Verbraucherschutz, Tierschutz und auch Umweltschutz einforderten, schränkte aber auch ein, manche Verbraucher dächten am Sonntag über mehr Tierschutz nach und kauften Tags drauf große Berge Fleisch ein.  „Hand in Hand“ mit den Bauern will der Ministerpräsident das Vertrauen der Verbraucher zurückgewinnen und sah Gesprächsbedarf zwischen Landwirten und Verbrauchern ebenso wie zwischen Landwirten und Politikern.

Zugleich wolle er auch Probleme abarbeiten und voran kommen. Weil sprach in diesem Zusammenhang von mehr Kontrolle, strengeren Kennzeichnungsvorschriften und den nicht weg zu diskutierenden Nitratbelastungen der Gewässer in einigen Landesteilen. Er vermutete bei größeren Betrieben größere Risiken. Lob äußerte er für das Verhandlungsgeschick seines grünen Ministers  bei der Umsetzung der Agrarreform und verteidigte dessen Ansatz, öffentliches Geld für öfffentliche Leistungen auszugeben. Der dazu erwartete Beifall aus dem Publikum aber stellte sich nicht ein. Dies seien die Vorstellungen der Landesregierung von einer „sanften Agrarwende“, Kampfansagen sähen anders aus, schloss Weil.

Als Gastredner ging Werner Schwarz, Präsident des Bauernverbandes Schleswig-Holstein und wie Hilse DBV-Vizepräsident, auf die dringend notwendige Öffentlichkeitsarbeit ein. Er sah die Landwirtschaft in einer „Wahrnehmungskrise“. Der Bauer genieße Vertrauen, aber sein Tun werde kritisiert. Mit innovativen Ideen müsse sich die Landwirtschaft zu Wort melden, über ihre Arbeit informieren und das Monopol der sogenannten Nichtregierungsorganisation in der veröffentlichten Meinung brechen.
Als „nicht verhandelbar“ bezeichnete Schwarz drei Positionen des Berufsstandes. Danach machten Landwirte nicht mit, wenn gesellschaftliche Forderungen ökonomischen Gesetzmäßigkeiten zuwider liefen. Sie wehrten sich, wenn das Eigentum der Sozialpflichtigkeit zum Opfer falle. Und schließlich gingen sie auf die Barrikaden, wenn Unternehmertum durch staatliche Kontrollen stranguliert werde. Vehement verwahrte er sich in gegen politische Initiativen, die darauf abzielen, Grünland, Tiere und Umwelt vor den Bauern schützen zu wollen. „Unser freiwilliges Engagement hat dies alles erst geschaffen“, warb Schwarz für mehr Vertrauen in die Arbeit der Landwirte. Mit dem Ordnungsrecht werde der über Jahrzehnte geleistete Einsatz der Landwirte mit Misstrauen bestraft. „Das kann uns nicht gefallen“, meinte Schwarz.

Im internen Teil der Veranstaltung legte Landvolk-Hauptgeschäftsführer Jörn Dwehus ein neues Leitbild des Verbandes vor. Es soll nach außen grundsätzliche Positionen für eine moderne und zukunftsfähige Landwirtschaft  beschreiben und nach innen den Orientierungsrahmen für die Ausrichtung der Betriebe und die unterschiedlichen Produktionsformen bieten. „Das Leitbild repräsentiert damit den großen gemeinsamen Nenner“, schilderte Dwehus. Das Landvolk hat in die Diskussion zu einem gemeinsamen Leitbild viele Anregungen und Ideen einfließen lassen, die es bei intensiven Diskussionsveranstaltungen unter dem Motto „Landvolk im Dialog“ erhalten hat. Die jetzt erarbeiteten und zusammengetragenen Positionen sollen  Gegenargumente zu immer wieder geäußerter Kritik an moderner Landwirtschaft liefern. Das Leitbild biete ein solides Argument für die Kommunikation und Argumentation. Der Verband habe sehr klar herausgearbeitet, für welche Form von Landwirtschaft er stehe, aber es definiere auch ganz eindeutig die „roten Linien“.

Zudem stand die Wahl eines Vizepräsidenten an. Franz-Josef Holzenkamp aus Cloppenburg will sich auf seine politische Arbeit im Deutschen Bundestag konzentrieren und hat sein Amt bereits seit dem Wahlkampf ruhen lassen. Mit 143 von 146 möglichen Stimmen erhielt Albert Schulte to Brinke, Milchviehhalter aus Bad Iburg im Osnabrücker Land, als Vizepräsident ein überzeugendes Votum der Delegierten.

Gabi von der Brelie