Neuer Erlass sorgt für Verunsicherung

Neuer Erlass sorgt für Verunsicherung - Foto: landpixel
Foto: landpixel

Sauenhaltung Ein schwieriges Marktumfeld belastet seit geraumer Zeit die Sauen haltenden Landwirte. Mindestens genauso stark fühlen sich die Betriebsleiter aber auch durch geplante oder verabschiedete Vorgaben der niedersächsischen Landespolitik verunsichert. Diese Einschätzung vertraten einhellig die Mitglieder des Arbeitskreises Sauenhaltung im Landvolk Niedersachsen unter Leitung des Vorsitzenden Lars Prigge bei ihrem jüngsten Treffen in Walsrode.

Heftige Kritik entzündete sich an dem Erlass vom 27. Juni zur  Liegeflächengestaltung bei der Einzelhaltung von Sauen und Jungsauen aus dem Niedersächsischen Landwirtschaftsministerium. Dieser erlaubt bei der Einzelhaltung im Abferkelbereich sowie im Deckzentrum – nur in diesen beiden Bereichen ist die Einzelhaltung ab Januar 2013 noch möglich – in Bezug auf den Schlitzanteil im Boden lediglich Anteile von 15 Prozent. Üblich und aus hygie-
nischer Sicht bewährt haben sich im Abferkelbereich jedoch Schlitzanteile von bis zu 45 Prozent. Nach Einschätzung der Sauenhalter konterkariert der Erlass zentrale Errungenschaften im Bereich des Tierschutzes hinsichtlich Hygiene sowie Tiergesundheit. Er müsse schon allein vor diesem Hintergrund umgehend zurückgenommen und grundlegend überarbeitet werden. Darüber hinaus sorge der Erlass mit seinen unklaren und vagen Formulierungen für zusätzliche Unsicherheit bei Landwirten und Behörden und führe nicht die  von der Praxis geforderte Rechtssicherheit herbei.

Nach Einschätzung des Arbeitskreises entsteht der Eindruck, dass seitens des Ministeriums offensichtlich keine Abstimmung mit Fachbehörden, Beratung und Praxis stattgefunden hat. Insofern sei dieser Vorgang  ein weiteres Beispiel für einen Alleingang des Landes. Er laufe dem Tierwohl zuwider und gefährde gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe. Letzteres drohe auch beim derzeit kursierenden vorläufigen Erlassentwurf zu Abluftreinigern in Tierhaltungsanlagen (siehe  Beitrag Seite 9).

Im Vergleich zu den von der Politik bereits aufgebauten und sich weiter abzeichnenden Hürden diskutierten die Sauenhalter ihre Möglichkeiten im Bereich der Ferkelvermarktung sachlich und nüchtern – trotz der angespannten Marktlage mit sinkenden Verkaufserlösen bei extrem steigenden Kosten für Futter, Energie und andere Produktionsmittel. Hinsichtlich der Preisgestaltung konnte bisher keines der diskutierten Modelle überzeugen. Vielmehr müssten die Sauenhalter mit qualitativ hochwertigen Ferkeln in den geforderten Partiengrößen und dem  höchstmöglichen Gesundheitsstatus auf die Wünsche der Mäster reagieren, so die mehrheitliche Meinung.

Über Krisenmanagement und Rückverfolgbarkeit informierte Thomas May vom QS-Prüfsystem. Beides funktioniere im Grundsatz gut, wenn es auch an der einen oder anderen Stelle noch Optimierungsbedarf gebe, urteilten die Praktiker. Skeptisch äußerten sie sich gegenüber dem nahezu inflationären Wunsch nach zusätzlichen Kriterien, weiteren Arbeitsfeldern und neuen Labels. Die QS GmbH solle sich auf ihre originären Aufgaben besinnen: Auf dokumentierte Produktionsprozesse und die Rückverfolgbarkeit des Endproduktes. Dem  „Wunschkonzert“ des Lebensmitteleinzelhandels müsse Einhalt geboten werden. Zum Antibiotika-Monitoring verwies May auf die bereits bestehenden Aktivitäten in der Geflügelhaltung, in der Schweinemast stehe man vor der Umsetzung. Hierzu versicherte er, es werde keine Doppelerfassung geben, falls es zu den von Bundesministerin Ilse Aigner angekündigten Datenbanken kommen werde.
Br/red

3 Fragen an Lars Prigge
Vorsitzender des Arbeitskreises Sauenhaltung im Landvolk Niedersachsen

Wie beurteilen Sie die aktuelle wirtschaftliche Situation in den Betrieben der Sauenhalter?
Bei Vollkosten für die Erzeugung eines Mastschweines von aktuell  ca.  1,90 Euro je kg Schlachtgewicht führen die Erlöse von 1,60 Euro/kg Schlachtgewicht  in der ganzen „Kette Schwein“ zu erheblichen Verlusten. Erneut werden diese überwiegend den Sauenhaltern aufgebürdet. Sie können auf die-
se Marktgeschehnisse nicht kurzfristig reagieren, Reserven und Eigenkapital sind in den vergangenen Jahren durch ähnliche Konstellationen aufgebraucht worden. Ohne Regelwerk oder Abhängigkeit zwischen Mastschweineerlös und Ferkelpreis werden Sauenhalter und Mäster nicht gemeinsam nach hohen Marktpreisen streben. Obendrein sind wir Sauenhalter mit immer mehr politischen Anforderungen konfrontiert.

Wo sehen Sie neben den Unwägbarkeiten im Markt zusätzliche Probleme für den Betriebszweig Sauenhaltung?
Wir sind Bauern und denken, handeln und investieren langfristig und nachhaltig. Das machen wir schon seit Generationen so. Wir brauchen auch eine verlässliche Politik, die sich an der Praxis orientiert. Nur so können Tierschutz, Lebensmittelsicherheit und gesellschaftliche Akzeptanz erreicht und dem Landwirt ein ausreichendes Familieneinkommen ermöglicht werden. Momentan werden diese Grundsätze nicht beachtet. Niedersachsen schießt mit politischen Vorgaben weit über die des Bundes und der EU hinaus. Wenn deutsche Standards in der Ferkelerzeugung gelten sollen, dann muss die Abwanderung der Sauenhaltung ins Ausland verhindert werden.

Können Sie jungen Menschen den Einstieg in die Sauenhaltung vorbehaltlos empfehlen?
Zurzeit nicht! Die Verantwortlichen in der Schweinehaltung  müssen sich vernetzen, einheitlich positionieren und gemeinsam Lösungswege und Strategien entwickeln und umsetzen. Die Sauen -und Schweinehalter müssen sich gegenüber den konzentrierten, abnehmenden Märkten behaupten können. Zudem brauchen wir eine gute Einbindung in die Politik, dann könnten auch junge Leute wieder Perspektiven in der Sauenhaltung erkennen.
Br