Tierschutz muss Tierhalter mitnehmen

Tierschutz muss Tierhalter mitnehmen - Foto: studio54
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Landvolktag „Die Politik muss Rückenwind geben und nicht ständig Knüppel zwischen die Beine werfen!“ Mit diesem Satz sprach Ministerpräsident David McAllister den knapp 300 Delegierten und Gästen des Landvolkes Niedersachsen aus dem Herzen. Landvolkpräsident Werner Hilse hatte zuvor ihm und den zahlreichen anderen Politiker unter den Gästen deutlich gemacht, dass sich momentan viele niedersächsische Landwirte von der Fülle aktueller Vorgaben und Vorschriften überrollt fühlen.

Noch nie zuvor sei die Landwirtschaft in Niedersachsen so vielfältig aufgestellt gewesen wie derzeit, stieg Hilse in seinen Vortrag ein. Er sah die Bauern in der Verantwortung, die ihnen anvertrauten Ressourcen nachhaltig, aber ebenso effektiv zu nutzen. Deutschland sei trotz großer Erfolge im Agrarexport weiter Nettoimporteur. Mit Blick auf die wachsende Weltbevölkerung bezeichnete Hilse die sogenannten Greening-Vorschläge der EU-Kommission daher als völlig inakzeptabel. Er befand sich dabei sowohl mit Ministerpräsident David McAllister als auch Landwirtschaftsminister Gert Lindemann auf einer Linie. Eine ökologisch motivierte Stillegung von sieben Prozent der Landwirtschaftsfläche würde die Einkommen der Landwirte zu stark schmälern und zugleich die Versorgungssicherheit einengen, betonte Hilse.

Zu den in der Gesellschaft sehr kontrovers diskutierten Themenbereichen Tierhaltung und Biogaserzeugung unterstrich Hilse: „Wachstum findet hier zurzeit nicht statt“. Aber eine radikale Umkehr von der viel gescholtenen „Massentierhaltung“ zu einer vermeintlichen Hinterhofidylle würden die Landwirte nicht mitmachen. Wer mehr Tierschutz in der Tierhaltung wolle, müsse die Tierhalter mitnehmen. Sehr emotional wehrte sich Hilse gegen Vorwürfe, in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung stünde allein die Profitgier obenan. Die fast täglich gebetsmühlenartig wiederholten Vorwürfe gegenüber moderner Tierhaltung werde er auf den Landwirten nicht sitzen lassen, versicherte der Präsident.

Breiten Raum nahm erwartungsgemäß die Auseinandersetzung mit dem von Niedersachsen vor eineinhalb Jahren angestoßenem Tierschutzplan ein. Für die Landesregierung betonten sowohl der Regierungschef als auch der Fachminister die Bereitschaft zum Dialog, zu diesem Angebot steht auch der Berufsstand und wird in den Gremien weiter seinen Fach- und Sachverstand einbringen. Es gelte aber, die Haltungsbedingungen der Tiere zu verbessern, ohne dass die Nutztierhaltung unwirtschaftlich werde, versicherte McAllister. Gewisse Dissonanzen gibt es dagegen in mancher Begrifflichkeit. So wünschte sich Hilse eine fachlich genauere Aussage als „Minimierungsstrategien“ beim Antibiotikaeinsatz, vermieden werden müssten vielmehr Resistenzen. Und dazu bedürfe es abgestimmter Strategien.

Bei einem weiteren Reizthema, dem Stallbau, zeigte sich McAllister ebenfalls Dialogbereit. Neue Ställe müssten privilegiert bleiben, darüber gebe es mit ihm keine Diskussion, sicherte er zu. Hilse verwies auf „blank liegende Nerven“, da insbesondere von der kommunalen Ebene viele Forderungen an die Landwirtschaft herangetragen würden, die das Landvolk nicht akzeptieren könne.
Der Ministerpräsident sprach in seiner knapp 30-minütigen Rede viele agrarpolitischen Themen an. Er bekannte sich zu den EU-Direktzahlungen, „sie fließen zu Recht“, sagte er, lehnte aber das Greening ab. Er sprach den 1.500 überwiegend landwirtschaftlichen Biogasanlagen im Lande einen wichtigen Beitrag zur Energiewende zu und regte für die Zukunft eine EEG-Förderung bevorzugt für neue Anlagen an, die aus Gülle oder anderen organischen Reststoffen Strom erzeugen. Zu dem leidigen Thema Umsatzsteuernachforderungen bei der Tierkörperbeseitigung forderte er den Bund zum Verzicht auf, bedauerte aber, dass dazu noch besonders dicker Bretter aufzubohren seien. Und schließlich möchte McAllister endlich den Flächenverbrauch noch wirksamer eindämmen und vom Bund die lange angekündigte Kompetenz erhalten, ein Ersatzgeld zu erheben statt weitere Kompensationsmaßnahmen umzusetzen. An diesem Thema werde das Land „dran bleiben“.
Br