EIN KOMMENTAR VON Gabi von der Brelie
Das Hochwasser an Aller, Leine, Elbe und vielen anderen Flüssen hat in Niedersachsen eine Welle der Hilfsbereitschaft ausgelöst. In Katastrophensituationen rücken die Menschen zusammen, um gemeinsam anzupacken, zu helfen. Viele Freiwillige stapeln Sandsäcke, versorgen die Helfer und bieten Notunterkünfte. Schneller als die Wassermassen haben sich Menschen in sozialen Netzwerken zu Hilfstrupps organisiert. Diese Unterstützung in Notsituationen ist für Viele selbstverständlich und ein gutes Zeichen für den Zusammenhalt in der Gesellschaft. Große Betroffenheit löst landesweit auch die Not der Landwirte entlang der Elbe aus. Problemlos finden sich Ställe für Tiere, die vor den herannahenden Wassermassen in Sicherheit gebracht werden müssen, werden Futterspenden und andere Hilfen angeboten. Diese Solidarität macht Mut.
Den werden die vom Hochwasser betroffenen Menschen noch bitter benötigen. Und sie müssen weiter auf die anhaltende Hilfsbereitschaft vertrauen können, um die vor ihnen liegende Aufräum- und Aufbauarbeit leisten zu können. Auch beim Schlamm wegschaufeln schaffen viele Helfer mehr als einer alleine. Neben den zahlreichen Privatpersonen sind beim Aufräumen die Behörden gefragt. Wer überflutete Häuser, Ställe oder Felder wieder herrichten muss, der darf nicht an kleinteiligen Debatten über Kompetenzen und Zuständigkeiten das Vertrauen in die Zukunft verlieren. Pragmatismus und Bürgersinn dürften in den kommenden Monaten entlang der betroffenen Flussläufe am besten ankommen. Und schließlich werden die Gesellschaft und damit der Staat finanzielle Unterstützung leisten müssen, dazu müssen Schwerpunkte in den Haushalten überdacht und neu ausgerichtet werden. Hilfsleistungen genießen Vorrang.
Nach der Flut ist vor der Flut. Die Schäden der Jahrhundertflut von 2002 sind kaum behoben, schon trifft uns die Jahrtausendflut. Dem Hochwasserschutz kommt eine besondere Bedeutung zu, er muss eine neue Qualität erreichen. Dazu zählen nicht die eilig in die Mikrofone aufgesagten Statements wie “Flüsse brauchen mehr Raum“, oder „Hochwasserschutz notfalls mit Enteignung der Landwirte“. Entlang der Elbe beispielsweise werden zurzeit sehr unterschiedliche Philosophien zum Schutz vor extremen Hochwassersituationen verfolgt. Ganz offensichtlich fehlt die Abstimmung aller Anrainer. Dem Zurück zu natürlichen Flussauen steht die stetige Erhöhung der Deiche gegenüber – zum Leidwesen der Unterlieger. Rückhaltepolder könnten zu große Wassermassen auffangen. Dazu muss ein Gesamtkonzept erarbeiten und im Konsens umgesetzt werden. Kleinstaaterei und Zögerlichkeit bestraft die Natur, das Nachsehen haben die Anlieger der Flussläufe.
Gabi von der Brelie