- Foto: DMK-Werkbild
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Lieferbeziehungen Andienungspflicht, lange Kündigungsfristen, nachträgliche Preisbindung – die Wettbewerbshüter sehen einiges im Argen liegen. Die Milchbranche dagegen hält alternative Vorschläge für wirklichkeitsfremd.
Sehr kritisch beurteilt das Bundeskartellamt wesentliche Inhalte der Milchlieferverträge zwischen Erzeugern und Molkereien in Deutschland. In einem am Montag veröffentlichten Sachstandspapier stellt die Bonner Behörde fest, dass flächendeckend Lieferbedingungen mit einer Alleinbelieferungspflicht und langen Kündigungsfristen sowie einer nachträglichen Preisfestsetzung verwendet werden. Daraus schließt sie „eine nachhaltige Beruhigung des Wettbewerbsgeschehens“.

Kaum Wechselbewegung
Kartellamtspräsident Andreas Mundt wies darauf hin, dass Landwirte flächendeckend verpflichtet sind, die Milch ausschließlich bei ihrer Molkerei abzuliefern. „Das ist problematisch und behindert mögliche Newcomer auf Molkereiseite oder Molkereien, die ihre Tätigkeit ausdehnen wollen“, so Mundt. Ebenso weit verbreitet sei es, dass der Milchpreis erst nach der Lieferung festgesetzt werde und sich an Referenzpreisen und Marktinformationssystemen orientiere. „Wir wollen jetzt die Diskussion mit der Branche über mögliche Alternativen intensivieren“, kündigte der Kartellamtschef an. Das Papier nennt als Beispiele kurze Kündigungsfristen für Lieferverhältnisse, eine weniger strenge Kopplung von Lieferbeziehung und Genossenschaftsmitgliedschaft, die Festlegung der Preise vor der Lieferung und die Vereinbarung fester Liefermengen.

Das Kartellamt hat 89 private und genossenschaftliche Molkereien befragt, die 2015 etwa 98 % der Milchanlieferungen erfassten; davon unterlagen 97,8 % Ausschließlichkeitsbindungen. Mehr als die Hälfte der Rohmilchmenge war an eine mindestens zweijährige Kündigungsfrist gebunden. Die Wechselquote betrug nur ein Prozent der Rohmilchmenge.

Das Verwaltungsverfahren wird als Musterverfahren gegen die größte Molkerei in Deutschland, das Deutsche Milchkontor (DMK), geführt. Das Verfahren kann auf weitere Molkereien ausgeweitet werden. Molkereien und Branchenverbände reagierten mit scharfer Kritik. Sie warnen vor einer „Destabilisierung“ beziehungsweise „Zerstörung“ bewährter Strukturen. „Das Bundeskartellamt möchte die seit Jahrzehnten gelebte marktwirtschaftliche Vertragsfreiheit durch ein restriktives System und Verbote ersetzen“, beklagte der Hauptgeschäftsführer des Milchindustrie-Verbandes (MIV), Eckhard Heuser. Die Vorschläge seien unbrauchbar, weil sie nicht das Ziel eines langfristig höheren Milchpreises erreichten.

„Zerstörung des Marktes“
Die DMK GmbH als unmittelbar betroffenes Unternehmen warnte, das „Kartellamt zerstört den deutschen Milchmarkt“. Die vorgeschlagenen Änderungen gingen an der Wirklichkeit der Milcherzeugung „meilenweit vorbei“.
Rückendeckung bekam das Bundeskartellamt dagegen vom Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM). Kürzere Kündigungsfristen und feste Preise könnten dazu beitragen, dass Krisenlasten nicht länger allein von den Erzeugern getragen werden müssten, sagte ein Verbandssprecher.
AgE/dpa/red