Landvolk fordert Ausbau der Erneuerbaren mit System

Agri-PV
Aktuell wetteifern die Projektierer aggressiv mit teilweise unseriösen Pacht- oder gar Kaufangeboten um Ackerflächen Foto: iStock

Energiehunger erfordert gute Konzepte / Projektierer eifern bei Flächen um die Wette

L P D – Der Energiehunger ist groß und nimmt weiter zu. „Freiflächen-Photovoltaik (PV) – und Windenergie sind laut Expertenmeinung für eine unabhängige und kostengünstige Stromversorgung am besten geeignet, die Politik setzt atemberaubende Zubauziele, kein Wunder, dass am Flächenmarkt bei den Projektierern Goldgräberstimmung herrscht“, erklärt Jochen Oestmann, Vorsitzender des Ausschusses Erneuerbare Energien im Landvolk Niedersachsen. Aktuell wetteifern die Projektierer aggressiv mit teilweise unseriösen Pacht- oder gar Kaufangeboten um die Ackerflächen – auch an guten Standorten.

Ackerflächen dienen aber in erster Linie der Lebensmittelerzeugung. „Auf ertragsstarken Flächen müssen landwirtschaftliche Früchte angebaut werden. Solarparks gehören da nicht hin, zumal nach einem Ende der PV-Nutzung in 20 bis 30 Jahren die Fläche wegen des Naturschutzes nicht mehr beackert werden darf. Aber auch bei weniger ertragsreichen Standorten muss der Landwirt bei der Verpachtung als PV-Freifläche Vorsicht walten lassen“, zeigt Harald Wedemeyer, Rechtsanwalt beim Landesbauernverband, auf und rät zur umfassenden Beratung. „Es gibt viele, vor allem rechtliche und steuerrechtliche Unwägbarkeiten zu bedenken. Wir raten, sich gut beraten zu lassen und nicht vorschnell eine Unterschrift zu leisten, sonst gibt man alles aus der Hand.“ Das Landvolk sieht einerseits die Notwendigkeit des Ausbaus regenerativer Energien, forderte aber von Beginn an schlüssige Konzepte. „Wir werden künftig so viel erneuerbaren Strom am Markt haben, dass die Preise häufig negativ sein werden. Dann gibt es auch keine EEG-Zahlungen mehr und Anlagenbetreiber geraten in eine wirtschaftliche Notlage. Da hilft nur noch, den Strom zwischenzuspeichern. Solche Speicherlösungen sollten aber nicht nur anlagenbezogen gedacht, sondern gemeinsam mit anderen Wind- und Solaranlagen betrieben werden. Deshalb brauchen wir regionale Energiekonzepte und eine darauf aufsetzende kommunale Standortfindung“, verweist Oestmann auf die Komplexität des Ausbaus. Generell sieht der Landesbauernverband ertragsschwache Standorte für Freiflächen-PV-Anlagen als geeignet an, doch der ländliche Raum insgesamt müsse zur Akzeptanz dabei mitgenommen werden.

Sehr hohe Pachtbeträge für Solar-Parkflächen bieten die Projektierer. „Da wird so mancher Bauer weich – besondere wirtschaftliche oder persönliche Situationen werden ausgenutzt“, schildert Oestmann das Auftreten. Zudem werde Druck aufgebaut, sich schnell zu entscheiden, da das Angebot sonst verfalle. „Uns sind Fälle bekannt, wo bis zu 14 Projektierer an einer Ackerfläche interessiert sind. Seitens der Projektierer wird das auch nicht dementiert“, schildert Oestmann. Es werde eine Neiddebatte losgetreten, die unschön ist.

Vorsicht ist deshalb geboten, hängen doch an den Pachtverträgen für die Freiflächen-PV einige Fallstricke für den Landwirt. So ist steuerlich die Erbschafts- und Schenkungssteuer zu beachten. Es sollte unbedingt der Steuerberater kontaktiert werden, wechselt die Grundsteuer von A auf B, und die Verpachtung hat auch steuerlich Einfluss bei der Abfindung weichender Erben bei der Höfeordnung.

Wedemeyer weist zudem darauf hin, dass die Flächen erheblich an Wert verlieren werden, wenn ein Solarpark nach Ende der Vertragslaufzeit zurückgebaut wird. Die Ackerflächen werden dann nicht mehr als Acker nutzbar sein, weil sich auf der Fläche unter Naturschutz stehende Flora und Fauna entwickelt haben wird. „Der Wertverlust, den die einstige Ackerfläche dadurch erfährt, wenn sie anschließend nur noch als „unter Schutz stehendes“ Dauergrünland eingestuft wird, ist nicht zu unterschätzen. Diesen Schaden müssen die Projektierer bzw. die Anlagenbetreiber eigentlich ersetzen. Diese verweisen aber auf die Pachtzahlungen, die aber vor allem auf guten Standorten bei weitem nicht den Wertverlust ausgleichen“, zeigt Wedemeyer auf. Neben den notwendigen Speichern ist gleichzeitig der Leitungsbau auf allen Ebenen zu forcieren. Ein zu geringer und langsamer Leitungsausbau führt dazu, dass der produzierte Strom nicht abgeleitet werden kann. „Wenn die Energiewende gelingen soll, müssen alle Kapazitäten und Leitungen parallel ertüchtigt und vor allem Speicher gebaut werden. Wir müssen gemeinsam Lösungen finden. Im Übrigen muss insbesondere für die Zeiträume der Dunkelflaute im Winterhalbjahr grüne Energie in Form von Wasserstoff gespeichert werden. Dazu sind umfassende Energiekonzepte nötig: Das Landvolk hat schon immer eine gute Planung betont, Grenzen aufgezeigt und Ideen eingebracht.“, fordert Jochen Oestmann ein zeitnahes, gemeinsames Handeln, damit die Energiewende gelingt und gleichzeitig wertvolles Ackerland für zukünftige Lebendmittelproduktion nicht verloren geht. (LPD 90/2023)

Silke Breustedt-Muschalla

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