Die lokalen Versicherungsvereine setzen heute auf Geselligkeit und Traditionspflege
L P D – Versicherungsschutz für das Schwein – so fortschrittlich dachten die Menschen auf dem Land zu Beginn des vorigen Jahrhunderts. Es gab auf lokaler Ebene Versicherungen, die nach dem Solidaritätsprinzip organisiert waren. Viele dieser Schweinekassen gab es in Südniedersachsen und auch dem Schaumburger Land, teilt der Landvolk-Pressedienst mit. In dem 1.000 Seelen-Dorf Enzen im Landkreis Schaumburg setzt die Schweinekasse heute auf Geselligkeit und Brauchtumspflege. Sie hat sich 2009 in einen Traditionsverein umfirmiert, heißt aber weiter „Schweineversicherungskasse Enzen und Enzerweg“. Ebenfalls im Schaumburgischen gab es den „Versicherungsverein für krepierte Schweine in der Dorfschaft Vehlen“, der 2008 ebenfalls in einen Traditionsverein überführt wurde.
Die früheren Schweinekassen boten den Menschen auf den Dörfern, die für die Selbstver-sorgung ein Schwein hielten, Sicherheit. Für eine Versicherungssumme von 50 Pfennig je Schwein erhielt das Mitglied in Enzen z.B. Tierarztkosten erstattet. Verendete ein Schwein krankheitsbedingt, wurde der Wert des Tieres ersetzt. Dies geschah dann in Form einer Umlage von allen Mitgliedern. Einen echten Boom erlebten die Schweinekassen nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Selbstversorgung für die tägliche Lebensmittelration enorm wichtig war. In Enzen stand die Schweinekasse schon 1978 kurz vor der Auflösung, 1999 waren keine Schweine mehr versichert. Gerade noch 20 Enzener hielten der Kasse aus dem Gründungsjahr 1905 die Treue. Dann gab es einen Neuanfang, inzwischen zählt der Verein 130 Mitglieder und damit ungefähr so viele wie zu den Zeiten, als sie als Schweinkasse gefragt war. Mit einem jährlichen Grillfest steht heute die Geselligkeit im Mittelpunkt, gut angenommen wurde im vergangenen Jahr eine Ausstellung mit alten Schlachtutensilien.
Schweinekassen wurden ab 1874 im Süden Niedersachsens gegründet. Die Familien auf dem Lande hielten fast alle ein oder zwei Hausschweine, um den Fleisch-, Wurst- und Fettbedarf zu decken. Verendete das Tier oder musste notgeschlachtet oder auch aufgrund seuchengesetzlicher Bestimmung getötet werden, erstattete die Schweinekasse den materiellen Schaden, sie war damit eine Vorläuferinstanz der heutigen Tierseuchenkasse. Diese Art der Vorsorge war traditionell in vielen Dörfern organisiert und existiert in einigen noch heute – obwohl der Vereinszweck nicht mehr gilt. Deutschlandweit wurden ab 1912 die Tierseuchenkassen eingerichtet. In Niedersachsen je eine in der Provinz Hannover, im Herzogtum Braunschweig und im Fürstentum Schaumburg und insgesamt sieben im Großherzogtum Oldenburg, wo es einen Fonds je Landkreis gab. Zum 1.1. 1966 wurden diese zehn Fonds zu einer Tierseuchenkasse vereint. (LPD 58/2019)