Ackerbauern gehen mit gedämpften Erwartungen in die Getreideernte
L P D – Mit sehr gemischten Gefühlen starten Niedersachsens Bauern voraussichtlich Anfang Juli die Getreideernte. Das Wintergetreide mit Weizen, Roggen oder Gerste hatte über die Wintermonate durchaus gute Vegetationsbedingungen, mit der Trockenheit im Frühjahr begannen dann aber die Schwierigkeiten. „Auch die vielen Frostnächte im Mai waren für das Wachstum nicht förderlich“, sagt Karl-Friedrich Meyer, Vorsitzender im Ausschuss Pflanze des Landvolkes Niedersachsen. Die heißen Tage im Mai sowie die langanhaltende Trockenheit haben viele Felder nicht ohne Ertragseinbußen überstanden, bedauert Meyer. Das genaue Ausmaß lässt sich derzeit aber noch nicht abschätzen.
Die Landwirte rechnen bestenfalls mit durchschnittlichen Erträgen. Da der ertragreiche Winterweizen zugunsten des trockenresistenten Roggens im Anbau zurückgefahren wurde, wird die Gesamternte vermutlich kleiner ausfallen als im Vorjahr. Es wurde auch bereits Getreide als Ganzpflanze als Futter gehäckselt. 2019 ernteten die Landwirte im Agrarland Niedersachsen insgesamt 6,4 Mio. Tonnen (t) Getreide, Körnermais eingeschlossen. Das war gut eine Mio. t mehr als im Trockenjahr 2018, aber weniger als im Durchschnitt der Jahre 2013 bis 2018 mit 6,8 Mio. t. Auch europaweit rechnen die Bauern- und Genossenschaftsverbände infolge extremer Witterungsbedingungen mit einem Rückgang der Getreideernte, allein bei Weizen um 11,5 Prozent.
Nach der Ernte steht die Vermarktung an. „Niedersachsens Ackerbauern können viele Wege wählen: Mühlen, Futterindustrie oder den Export“, zählt Meyer auf. Die Preisfindung stellt die Landwirte aber nicht zufrieden. Marktbeobachter der Landwirtschaftskammer Niedersachsen empfehlen einen Blick in das „Kleingedruckte“. Die Landwirte sehen sich zunehmend mit Nebenbedingungen konfrontiert, die ihre Erlöse zusätzlich mindern. Dazu zählen innere Qualitätskriterien wie der Eiweißgehalt, der zum Beispiel bei Backweizen oder Braugerste eine wichtige Rolle spielt. Auch kleine Körner oder der Besatz mit Fremdbestandteilen wie anderen Samenkörnern führen zu Abzügen. Ein wichtiger Kostenblock ergibt sich über die geforderte Kornfeuchte von 15 Prozent. Ist das Korn feuchter, muss es getrocknet werden, das kostet Energie. Dann spielt die Art der Vermarktung eine wichtige Rolle, hier sollten vorab alle Konditionen genau geprüft werden, damit es keine bösen Überraschungen gibt. Die Landwirte sind zudem gefordert, mit Hilfe der digitalen Medien Märkte und Absatzwege genau zu quantifizieren. „Die erfolgreiche Vermarktung kürt die Kunst des Ackerbaus“, fasst Meyer zusammen und hofft, dass sich die Voraussetzungen noch zu Gunsten der Landwirte drehen werden. (LPD 48/2020)