Agrarforum Banker und Bauern haben mehr Gesprächsstoff als Zinswende und Schweinezyklus. Er reicht von Brexit über Tierwohl bis Biogas. Das zeigte das Agrarforum von Sparkasse und Landvolk, das zur festen Tradition geworden ist.
Regulatorik tut verdammt weh. Mit dieser Aussage eröffnete Guido Mönnecke, Geschäftsführer des Sparkassenverbandes Niedersachsen (SVN) die Veranstaltung im Sparkassenforum in Hannover. Nicht nur Landwirte hätten unter zu vielen politisch motivierten Vorschriften zu leiden, auch Kreditinstitute.
Mönnecke hob auf die großen Schnittmengen zwischen Landwirten und Sparkassen ab: Beide sind lokal verankert, denken in Generationen, müssen sich aber im globalen Wettbewerb beweisen und mit volatilen Preisen leben.
Für den Mitveranstalter Norddeutsche Landesbank (Nord/LB) vermisste Vorstandsmitglied Christoph Schulz die kurze „Haltbarkeit“ politischer Entscheidungen. Kritisch äußerte er sich auch zu einem Nachrichtengeschäft, in dem wissenschaftsbasierte Meldungen weniger Aufmerksamkeit generieren als sogenannte Fake-News.
Ausstiegsrisiko wächst
Gesellschaftliche und politische Debatten über Landwirtschaft verunsichern Landwirte, sagte Landvolkpräsident Albert Schulte to Brinke in seiner Standortbestimmung. Er befürchtete in stetig steigenden gesetzlichen Auflagen gar ein Ausstiegsrisiko gerade für jüngere Landwirte. „Sie wissen häufig nicht, wie sie ihren Hof für die Zukunft ausrichten sollen“, verdeutlichte er.
Der Präsident machte sich für einen offenen, gesellschaftlichen Dialog stark, um in Konfliktthemen wie Gentechnik, Pflanzenschutz oder Fragen der Tierhaltung gemeinschaftlich eine Lösung zu erarbeiten. Keinesfalls dürfe Landwirtschaft zwischen widerstreitenden Interessen zerrieben werden. Einen Schwerpunkt bei der nunmehr siebten Auflage des Agrarforums bildeten die Folgen der europäischen Finanzpolitik sowie von Handelskriegen für Banken und Agrarwirtschaft. Christian Lieps, Chefvolkswirt der Nord/LB, erwartet eher vorsichtige Schritte auf dem Weg aus der expansiven Geldpolitik der Europäischen Zentralbank. Der Ausstiegspfad sei langfristig angelegt, in Deutschland flankiere eine widerstandsfähige Wirtschaft diese Entwicklung, die Zentralbank werde kaum vor Sommer 2019 eine Wende ihrer Zinspolitik einleiten.
Von einer „Renaissance politischer Eingriffe“ sprach der Handelsexperte Dr. Klaus-Dieter Schumacher von agri-consult. Brexit und Handelskriege bereiteten nicht-tarifären Hemmnissen im Handel leider wieder den Weg. Verschiebungen im Weltagrarhandel seien zudem durch Ernteeinbußen wie aktuell im europäischen Raum und größere Ernten in China, Indien oder der Ukraine verursacht. Oberste Priorität habe die Rohstoffsicherung, dadurch gewinne beispielsweise Brasilien im Handelsstreit zwischen den USA und China dauerhaft Marktanteile hinzu. Als Megatrends auf den Agrarmärkten bezeichnete Schuhmacher das Wachstum der Weltbevölkerung, veränderte Ernährungsgewohnheiten mit der Hinwendung zu Fleisch, Milch und Eiern sowie die zunehmende Verstädterung.
Diesen weltweiten Trends stellte der Kieler Agrarökonom Prof. Dr. Uwe Latacz-Lohmann die derzeitige Situation in Deutschland gegenüber, die als unlösbarer Dauerkonflikt von Gesellschaft und Landwirtschaft anmute. Obwohl in Umfragen das Image der Landwirte hoch eingestuft werde, gebe es Diskrepanzen zwischen Wunsch und Wirklichkeit der modernen Landwirtschaft. Der Wissenschaftler sprach von „Baustellen“ wie der Massentierhaltung, Ammoniakemissionen oder dem Pflanzenbau mit engen Fruchtfolgen und zu viel „Chemie“. Die Lösung muss aus seiner Sicht zu einer Landwirtschaft führen, die gleichermaßen international wettbewerbsfähig und gesellschaftlich akzeptiert sei.
Latacz-Lohmann warnte vor der Hoffnung, die öffentliche Meinung werde sich wandeln. Die Landwirtschaft müsse vielmehr Veränderungsbereitschaft signalisieren. Als Voraussetzung dafür müsse gelten: „Der Kurs lässt sich wirtschaftlich tragfähig ausgestalten“. Er wünschte sich dazu ein offensiveres Auftreten des Agrarsektors und einen ergebnisoffenen Dialog. Digitalisierung könne einige Problemen lösen helfen, aber die Landwirtschaft dürfe nicht allein auf technische Lösungen vertrauen. Deutlich mehr Anstrengungen als im Pflanzenbau werden nach seiner Einschätzung bei einem „Umbau“ der Tierhaltung notwendig sein.
Teil des Klimaschutzes
Der Biogassektor ist durch das EEG bereits auf diesen Weg geschickt worden, beschrieb Horst Seide als Präsident des Fachverbandes Biogas als letzter Redner. Die Betreiber von Biogasanlagen müssten mit Blick auf Strom- und Kraftstoffmarkt ihren Platz finden, wobei ihnen nicht zuletzt auch die Klimaschutzpolitik helfe. Letztlich aber hänge auch hier die Honorierung weiter von politischen Rahmenbedingungen ab. Positiv sieht er den Gülleeinsatz in Biogasanlagen, weil sie die Treibhausgasemissionen merklich reduzieren können.
Br