ASG-Tagung Weiter steigende Bürokratielasten für die nationalen Verwaltungen erwartet das Johann-Heinrich-von-Thünen-Institut (vTI) von den Verordnungsentwürfen der EU-Kommission für die künftige Förderung der ländlichen Entwicklung im Rahmen der anstehenden Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Bei der Frühjahrstagung der Agrarsozialen Gesellschaft (ASG) in Bad Nauheim bezifferte Barbara Fährmann vom vTI-Institut für ländliche Räume den Kostenanteil aufgrund von EU-spezifischen Kontroll- und Dokumentationserfordernissen auf zehn bis 30 Prozent. Obwohl die Verwaltungen bereits jetzt zum Teil überfordert seien, werde der von ihnen zu erbringende bürokratische Aufwand künftig weiter zunehmen. Die Wissenschaftlerin verwies auf Einschätzungen europäischer Institute, nach denen die Leistungsfähigkeit der öffentlichen Verwaltungen bereits als ein kritischer Faktor gewertet werde, die neuen strategischen Elemente in der Zweiten Säule mit Leben zu füllen. In eine ähnliche Richtung laufe die Stellungnahme des Europäischen Rechnungshofs (EuRH). Aus dessen Sicht sei der Rechtsrahmen zu komplex. Einige Maßnahmen seien mit übermäßigem Verwaltungsaufwand verbunden und einzelne relevante Rechtsvorschriften verwirrend. „Wirkliche Vereinfachung ist durch die neuen EU-Regularien nicht zu erwarten“, betonte Fährmann. Hilfreich zur Linderung des Bürokratieproblems wäre nach Auffassung von vTI-Wissenschaftlerin Fährmann eine effizientere Zusammenarbeit von Bund und Ländern jenseits aller „Föderalismusbefindlichkeiten“.
Dr. German J. Jeub vom Bundeslandwirtschaftsministerium bezeichnete eine durchgreifende Vereinfachung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) und die Entlastung von Landwirtschaft und staatlichen Verwaltungen von Bürokratie als eines der zentralen Ziele der Bundesregierung. Prof. Michael P. Schmitz von der Universität Gießen äußerte Zweifel an dessen Realisierbarkeit. Schmitz erwartet nach einer Analyse der Brüsseler Reformvorschläge „mehr Bürokratie für Landwirte und Verwaltung“. Besonders kritisiert der Gießener Agrarökonom, dass die künftige GAP mit ihren neuen Elementen vor allem auf klima-, umwelt-, verbraucher- und tierschutzpolitische Ziele sowie die Entwicklung ländlicher Räume ausgerichtet werden solle, eine Verbesserung oder zumindest die Erhaltung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit jedoch eine untergeordnete Rolle spiele. Der Direktor des Instituts für Agribusiness sagte: „Andere große Spieler auf den globalen Agrar- und Nahrungsmittelmärkten setzen ihre Prioritäten anders“. Dort stehe eine wirtschaftlich starke Agrar- und Ernährungswirtschaft im Vordergrund. Professionelles Exportmarketing mit staatlicher Begleitung sorge dafür, „dass man im internationalen Wettbewerb die Nase vorn hat“. Für Schmitz ist eine Reform der europäischen Agrarpolitik nur dann zukunftsfähig, wenn Agrarpolitik nicht vorrangig Schutz- und Umverteilungspolitik sei, sondern „eine Politik zur Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit und des nachhaltigen Wachstums“.
AgE