Billigpreise des Handesl ärgern Bauern

Billigpreise des Handesl ärgern Bauern - Foto: Landvolk
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Barsinghausen Kai-Henrik Struß hätte eigentlich allen Grund zur Freude: Seine Kühe fühlen sich in seinem neuen Stall wohl, sie danken es mit besserer Leistung, die Arbeitsbelastung reduzierte sich. Nur – Geld verdient er im Moment nicht.

Wir hatten auch einen Preisrückgang einkalkuliert, aber nicht so einen starken, schildert der 28-jährige Milchviehhalter aus Egestorf am Deister vor Journalisten. Auf Einladung des Landvolkes informierten sie sich über die angespannte Preissituation in der Landwirtschaft.  Als Kai-Henrik Struß nach seiner Ausbildung die Entscheidung zur Übernahme des elterlichen Hofes traf, war die Nachfrage nach Milch weitaus höher.

Tierwohl ist wichtig
Vor zwei Jahren wurde der Stall für 120 Kühe in Betrieb genommen. Den Tieren bietet der luftige Boxenlaufstall viel Komfort, Luft und Bewegungsfreiheit, die Familie entlasten zwei Roboter von der täglichen Melkarbeit. Die gewonnene Zeit investiert Kai-Henrik Struß in Tierbeobachtung und Herdenmanagement. „Tierwohl ist für uns ein fester Bestandteil der Betriebsphilosophie und kein leeres Versprechen“, sagt er. Umso mehr ist er über die ständigen Preissenkungen der Discounter verärgert.

Das sieht auch Landvolkvizepräsident Albert Schulte to Brinke so: „Den Wunsch von Gesellschaft und Politik nach nachhaltig erzeugten Produkten erfüllen wir Landwirte“, versichert er. Im Gegenzug müsse der Nachhaltigkeitsgedanke aber auch für die bäuerlichen Familienbetriebe zum Tragen kommen. Aber die haben zurzeit leider alle nGrund zur Klage, nicht nur Milchviehhalter, sondern auch Schweinehalter und Ackerbauern leider unter Tiefstpreisen. 27,83 Cent je Kilogramm Milch im Jahr 2015 in Niedersachsen, da fehlten 10 ct/kg im Vergleich zu 2013 oder in der Summe 600 Millionen Euro!

Schulte to Brinke weist auf die extrem niedrigen Verbraucherpreise hierzulande hin: Im Durchschnitt 73 Cent je Liter, der Discountpreis liegt bei 55 bis 59 Cent. In Bulgarien kostet das gleiche Produkt 1,87 Euro, in Großbritannien, Griechenland oder Italien 1,30 bis 1,22 Euro je Liter. „Schon ein moderates Plus von zehn Cent für alle Milchprodukte oder Fleisch wäre ein kleiner Schritt für Handel und Verbraucher und zugleich eine große Entlastung für die Landwirte“, schildert der Milchviehhalter aus Bad Iburg.

Auch bei den Schweinehaltern fehlt das Geld. Mit 1,24 Cent je Kilogramm sind die Schweinepreise schon historisch niedrig, sagt Volker Hahn, Vorsitzender beim Kreislandvolkverband Hannover und selbst Schweinemäster. Ähnlich sei es beim Ferkelpreis mit um die 40 Euro. Einzelhandel und Verarbeitungsunternehmen dagegen dürften sich über  steigende Margen freuen und forderten mehr Tierwohl. Aber das gebe es nicht zum Nulltarif und erfordere eine höhere Zahlungsmoral, damit die große Zahl interessierter Landwirte bei der Initiative Tierwohl berücksichtigt werden könne, meint Hahn. Er fügt an: „Als Landwirt fühle ich mich in die Zange genommen durch sinkende Preise auf der einen und steigende Auflagen und Ansprüche auf der anderen Seite“.

Hilfe dringend nötig
Für Abhilfe könnte auch die Politik sorgen, erläutert Schulte to Brinke. Das politisch bedingte Russlandembargo gehe zu Lasten aller Landwirte. Er sieht die Bundesregierung in der Verantwortung, den Zugang zu neuen Märkten zu erschließen, durch Exportlizenzen oder Veterinärabkommen. Das Kartellrecht gehöre grundlegend auf den Prüfstand und müsse den Schutz des Rohstoffproduzenten berücksichtigen. Steuererleichterungen zur Glättung von Gewinnen oder neue Versicherungsmodelle nach amerikanischem Vorbild und der Verzicht auf kostenträchtige Gesetze und Vorschriften könnten den Milchviehhaltern wieder Planungssicherheit zurückgeben. Eine Marktsteuerung dagegen lehnt das Landvolk weiter ab. „Den tiefsten Preis hatten wir zu Zeiten der Milchquote“, erinnert Schulte to Brinke an die Milchkrise 2008/09.
Br