EIN KOMMENTAR VON Gabi von der Brelie
Nachhaltigkeit, Ressourcenschonung, Ökoprodukte. Mit diesen und vielen weiteren Initiativen überraschte der Lebensmittelhandel in jüngster Vergangenheit.
Soll all das nun schon wieder der Vergangenheit angehören? „Der Preiskampf im Lebensmittelhandel flammt wieder auf“, ließ eine Meldung der Deutschen Presseagentur (dpa) zum Wochenanfang aufhorchen. Rotstiftpreise und Nachhaltigkeit, das Versprechen, der Preiswerteste zu sein, und Ökoprodukte – wie geht das zusammen? Eindeutige Antwort: Es geht nicht!
Die dpa-Geschichte steht für den erbitterten Kampf um Marktanteile, den die Großen des Lebensmitteleinzelhandels austragen. Die Entscheidung einzelner Markenartikelproduzenten, auf eine Listung in bestimmten Handelsketten zu verzichten, lässt erahnen, mit welch harten Bandagen Einkäufer und Hersteller um Regalfläche, Konditionen und – natürlich – Preise kämpfen. Die Endkunden sind nicht ganz unschuldig an dieser neuerlichen Wendung. Sie fordern eine wohnortnahe Vollversorgung mit großer Sortimentstiefe. Sie achten, zumindest in Teilgruppen, auf Nebenleistungen wie Ökobilanz, soziale und andere Standards, sie bevorzugen heute regionale Erzeugnisse und geben sich morgen international. Und daneben sitzen dem stationären Handel die Internetanbieter im Nacken.
Landwirte sind diesem Wettbewerb nicht nur ausgeliefert, sie sind als Produzenten zugleich die Verlierer des gnadenlosen Preispokers. Bislang geht hier nur der Urproduzent ins Risiko. Der Handel profiliert sich auf dessen Kosten mit Kampagnen und wählt die Ziele recht willkürlich, fast tagesaktuell. Der Lebensmittelhandel geizt mit den Beträgen, die das gesellschaftlich gewünschte Engagement zu mehr Tierwohl, mehr Umwelt- und Naturschutz honorieren müssen. Das Wunschkonzert an dieser Stelle kann aber nicht zum Nulltarif gespielt werden. Diese Einsicht muss auch bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern ankommen. Mit dem Kauf über den Preis bestärken sie leider die großen Ketten in ihren unsäglichen Rotstiftaktionen. Das böse Erwachen droht, wenn Regalflächen leer bleiben, weil ein Hersteller den Boykott probt. Immer stärker bedienen sich die großen Handelsketten auf internationalen Märkten, regionale Erzeuger haben das Nachsehen. Die Entwicklung schwappt gerade auf den Ökomarkt über, der Preisdruck der Discounter kennt auch hier kein Erbarmen.
Es gibt große Widersprüche, die sich im Lebensmittelmarkt zwischen Anspruch und Wirklichkeit auftun. Sie zu beseitigen, ist eine Aufgabe für die gesamte Kette vom Feld und Stall bis zum Teller. Der Nutzen dürfte am Ende überwiegen – für alle!