Die Kartoffel gibt den Rhythmus vor

Die Kartoffel gibt den Rhythmus vor -

Praxiserfahrung Mehr als 9.000 km liegen zwischen Deutschland und Japan – die Interessen und Probleme der Landwirte unterscheiden sich gar nicht so sehr voneinander. Das wurde beim Besuch einer japanischen Reisegruppe deutlich, die sich bei Henning und Anke Meyer in Immensen über die Landwirtschaft informierte.

Der Familienbetrieb mit drei Mitarbeitern und einem Auszubildenden hat sich auf den Anbau von Kartoffeln, Zwiebeln und Buschbohnen spezialisiert. Um trotzdem eine abwechslungsreiche Fruchtfolge zu gewährleisten, tauscht Meyer mit anderen Landwirten im Dorf die Flächen. Mit dieser, in Japan wegen der unterschiedlichen Bodenqualitäten ganz unüblichen Praxis, hat er gute Erfahrungen gemacht.
„Das geht bei uns, weil jeder Betrieb andere Ziele hat“, beschreibt Meyer die Vielfalt im Dorf mit Milchviehbetrieben, Hühnerhaltern, Getreideanbauern und einer Biogasanlage. Im eigenen Betrieb bereichern Sommergerste, Zuckerrüben und Rote Beete die Fruchtfolge. Die 21 japanischen Landwirte staunten über den zeitigen Erntebeginn der Frühkartoffeln, auf deren Flächen nun bereits die Buschbohnen wachsen. „Die sehr leichten Böden in unserer Region erlauben eine frühestmögliche Ernte nach etwa 70 Tagen“, erklärt Meyer.

Nur mit Beregnung
Nachteil der Sandböden sei jedoch die Beregnung, die auf jeder der durchschnittlich sieben Hektar großen Flächen nötig ist. Diese Arbeit hat sich Meyer durch eine elektrische Beregnung mit festverlegten Rohren erleichtert. „Ich drehe nur noch den Hahn auf, und es kommt Wasser“, beschreibt er den Besuchern den Umgang mit den fünf Regenmaschinen.

Aufwändiger ist dagegen das Vorkeimen der Kartoffeln in einem eigens dafür errichteten Glashaus und die Abdeckung der Pflanzen mit Vlies oder Folie, um so früh wie möglich ernten zu können. „Das ist viel Handarbeit und erfordert
einige Mitarbeiter“, erläutert der Landwirt. Im Herbst und Winter sortieren und verarbeiten die Angestellten vor allem die eingelagerten Zwiebeln. Im Januar oder Februar verlässt dann die letzte Kartoffel und im April die letzte Zwiebel die selbstgebauten Lagerkisten in der Belüftungstrocknung.

Wissen wollten die japanischen Landwirte, die vier Tage durch Deutschland reisten, was für Pflanzenschutzmittel und Dünger eingesetzt werden, was gegen Nematoden hilft, und ob Meyer als Christ denn am Sonntag arbeite. „Bei uns gibt die Kartoffel den Rhythmus vor“, antwortet der Landwirt. Wenn am Sonntag der LKW auf dem Hof stehe, damit die Kartoffeln am Montagmorgen in der Fabrik sind, müsse eben am Sonntag gerodet werden. „Mein Glaube definiert sich nicht über den sonntäglichen Kirchgang“, sagt Meyer.

Interessen bündeln
Der 48-Jährige hat den vor 120 Jahren ausgesiedelten Betrieb vor 20 Jahren von seinem Vater Eberhard übernommen und kontinuierlich ausgebaut. Wurden damals noch auf fünf Hektar Kartoffeln angebaut, sind es heute rund 100 ha, die nach QS und EurepGAP zertifiziert sind. Einen kleinen Teil der Kartoffeln vermarktet er in 25 kg-Säcken auf dem Großmarkt, die Meisten werden jedoch über Terminbörsen gehandelt und zu Chips oder Pommes frites verarbeitet. Bei diesem spekulativen Markt müsse der Preis im Schnitt der gesamten Jahre gesehen werden.
Deshalb ist er froh, sich mit anderen Landwirten zu einer Frühkartoffelerzeugergemeinschaft zusammengeschlossen zu haben, um die Mengen aber auch die Interessen zu bündeln. „Beim Frischverzehr haben wir ein Problem“, sagt Meyer. In den zunehmenden Singlehaushalten kommt die Kartoffel zu selten auf den Tisch, vermutet er. Im Haushalt der Meyers kann das nicht passieren – dort sitzen mit Familie und Mitarbeitern jeden Tag zehn Leute am Tisch.
wim

3 Fragen an Henning Meyer

von der Frühkartoffel-Erzeugergemeinschaft
Sie haben ihren Betrieb ganz auf den Kartoffel- und Gemüseanbau ausgelegt. Was empfehlen Sie anderen Landwirten, die diese Nische für sich nutzen wollen?
Von Beginn meiner Wirtschaftszeit an haben mich die Kartoffel und der Gemüseanbau in ihren Bann gezogen. Unser Standort östlich von Hannover mit den optimalen klimatischen Bedingungen hat mir die Entscheidung leicht gemacht. Außerdem waren diese Früchte von Anfang an dem freien Spiel der Marktwirtschaft ausgesetzt, wobei enorme Schwankungen im Erfolg auftreten können.
Der Kartoffelanbau ist nicht unbedingt eine Nische. Wichtig ist es, die Möglichkeiten seines eigenen Standorts genau zu kennen, die Vermarktung im Blick zu haben und – das gilt auch für den Gemüseanbau – ein hohes Maß an Motivation für die Früchte an den Tag zu legen.

Sind sie mit dem Kartoffelmarkt in der aktuellen Saison zufrieden?
Die neue Saison hat gerade erst richtig begonnen und ist im Abpackhandel noch von Importkartoffeln geprägt. Die Ware aus dem vergangenen Jahr ist komplett vermarktet, die ersten festschaligen Kartoffeln aus der Pfalz werden schon abgepackt. Unser Ziel ist es, die neuen Kartoffeln aus dem Raum Burgdorf, Uetze, Peine noch früher als sonst in den Markt zu bekommen. Das wird in diesem Jahr durchgehend ab der 1. Juliwoche möglich. Die Zeichen für eine zufriedenstellende Saison stehen nicht schlecht.

Könnte die Zusammenarbeit der Frühkartoffelerzeuger untereinander noch verbessert werden?
Jeder Kartoffelanbauer ist zunächst einmal sein eigener Unternehmer und muss sehen, dass sein Betrieb läuft. Es ist wichtig, den individuellen Anbauumfang ganz gezielt mit seinen Vermarktungspartnern abzustimmen, um Erfolg zu haben. Jeder muss wissen, dass bei Überproduktion die marktwirtschaftlichen Gesetze greifen, was nicht dem Wohle aller dient. Wir von der Frühkartoffel-Erzeugergemeinschaft versuchen, die Interessen aller zu bündeln und durch umfassende Informationen einen reibungslosen Saisonverlauf mit zu ermöglichen.
wim