GAP-Reform

GAP-Reform - Foto: Gabi von der Brelie
Foto: Gabi von der Brelie

GAP-Kompromiss Die Eckpunkte zur Reform der Gemeinsamen
Agrarpolitik stehen fest. EU-Kommission, Agrarrat und Europaparlament
haben sich nach zähen Verhandlungen in der vergangenen Woche auf einen
Kompromiss geeinigt. Nach Einschätzung der Kommission soll die
Agrarpolitik zukünftig nicht nur grüner, sondern auch gerechter und
effizienter sein.

Wichtige Details für die Zeit von 2014 bis 2020 stehen noch aus, der
Finanzrahmen dagegen wurde verabschiedet. Kernstück der Reform wird das
so genannte Greening sein. Danach sollen die Landwirte 30 % der
Direktzahlungen ab 2015 für ökologische Leistungen erhalten. Dazu zählen
drei Maßnahmen: die Diversifizierung des Anbaues, der Erhalt von
Grünland oder ökologische Vorrangflächen. Alternativ kann über
Agrar­umweltprogramme oder nationale Zertifizierungssysteme das Greening
erreicht werden.
Die ökologischen Vorrangflächen bleiben zunächst auf fünf Prozent der
Ackerfläche beschränkt und werden eventuell nach einer Prüfung durch die
Europäische Kommission 2017 auf sieben Prozent angehoben. Neben
Brachflächen und Landschaftselementen kann beispielsweise auch der Anbau
von Leguminosen als Vorrangfläche zählen.

Größere Vielfalt
Auch der Rahmen für die Anbaudiversifizierung und das
Grünlandumbruchverbot steht. Danach sollen Landwirte mit einer
Ackerfläche von zehn bis 30 ha künftig wenigstens zwei Kulturen anbauen,
größere Ackerbaubetriebe sogar drei, wobei die Hauptfrucht nicht mehr
als 75 %, die drittrangige jedoch wenigstens fünf Prozent der Fläche
einnehmen sollte. Die Dauergrünlandflächen – einschließlich Heiden –
sollen insgesamt auf dem Stand von 2012 eingefroren werden. Bis zu fünf
Prozent jährlich dürfen umgebrochen werden – diese Begrenzung gilt
jedoch nicht für den einzelnen Betrieb, sondern auf das Land oder die
Region bezogen.

Um eine Doppelförderung auszuschließen, hat die Kommission eine Handvoll
Agrar­umweltmaßnahmen identifiziert, die nicht über die genannten
Greening-Anforderungen hinausgehen. Dar­unter finden sich beispielsweise
eine Grünbedeckung im Winter oder der Zwischenfruchtanbau. Die
Einhaltung zahlreicher Agrarumweltmaßnahmen, beispielsweise Fruchtfolgen
oder Bewirtschaftungsauflagen für Grünland, gehen hingegen über das
Greening hinaus. Sie könnten deshalb sowohl mit der
Ökologisierungsprämie als auch mit Mitteln aus der Zweiten Säule
vergütet werden.

Das Parlament konnte durchsetzen, dass bei Verstößen gegen das Greening
2015 und 2016 maximal die volle Ökologisierungsprämie wegfällt, also 30
Prozent der Direktzahlungen. Erst danach sollen Strafen darüber
hinausgehen können. Die Cross-Compliance-Regeln wurden insgesamt
gestrafft. Geringfügige Versäumnisse werden künftig erst verwarnt, bevor
Bußgelder fällig werden. Neu aufgenommen in die Auflagenbindung werden
allerdings die Wasserrahmenrichtline sowie Vorschriften zur nachhaltigen
Verwendung von Pflanzenschutzmitteln.

Mehr Umverteilung
Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner konnte eine
betriebsgrößenabhängige Kappung der Direktzahlungen verhindern, die
Degression dagegen nicht. Für Beträge, die über 150.000 Euro
hinausgehen, ist eine Kürzung um fünf Prozent vorgesehen. Die fraglichen
Mittel sollen der ländlichen Entwicklung zu Gute kommen. Aigner kann
diese Kröte jedoch schlucken, da Staaten, die mit wenigstens fünf
Prozent ihrer Direktzahlungsmittel eine Sonderförderung der ersten
Hektare vornehmen, von der Verpflichtung zur Degression ausgenommen
werden. Die Förderung soll für bis zu 30 ha oder die Höhe des nationalen
Durchschnitts gewährt werden. Nach Einschätzung von Kommissionsexperten
dürfte die dadurch entstehende Umverteilung weit größer sein, als sie
durch Kappung oder Degression erreicht würde.

Viele der EU-15-Staaten außer Deutschland haben Probleme mit der
Umstellung auf Regionalprämien. Unter dem Druck des Agrarkommissars 
wurde vereinbart, dass die Betriebsprämien je Hektar im Jahr 2019
nirgendwo in der EU unter 60 Prozent des Durchschnitts der jeweiligen
Region liegen sollen. Gleichzeitig wird sichergestellt, dass Betriebe
mit einem historisch bedingt hohen Beihilfeniveau in der Regel höchstens
30 Prozent abgeben müssen. Ferner wird den Mitgliedstaaten
grundsätzlich gestattet, bis zu acht Prozent der Direktbeihilfen an die
Produktion bestimmter Erzeugnisse zu koppeln.

Aktive Landwirte
Mit Blick auf die Öffentlichkeit sollen künftig nur „aktive Landwirte“
Direktzahlungen erhalten. Dazu wird es auf EU-Ebene eine kurze Liste mit
Unternehmenskategorien geben, die nicht von Beihilfen profitieren
können, beispielsweise Flughäfen, Bahnunternehmen, Wasserwerke oder
Sportstätten. Die Mitgliedstaaten dürfen diesen Katalog für ihr
Territorium ergänzen.

Junglandwirte sollen künftig EU-weit einen 25-prozentigen Zuschlag auf
ihre Direktbeihilfen erhalten. Im Gegenzug bleibt es den Mitgliedstaaten
überlassen, ob sie ihren Kleinbetrieben die Möglichkeit für
Abschlagszahlungen von bis zu 1.250 Euro anstelle der regulären
Prämienberechnung eröffnen. Prinzipiell möglich, aber nicht
verpflichtend ist eine zusätzliche Prämie für Landwirte in
benachteiligten Gebieten aus dem Topf für Direktzahlungen. Bekräftigt
wurde die Pflicht zur namentlichen Veröffentlichung von
Agrargeldempfängern im Internet, mit Wohnort und Postleitzahl.
Ein sehr umstrittener Teil waren am Ende die Marktmaßnahmen. Das
Parlament hatte darauf gedrängt, auch an solchen Entscheidungen
beteiligt zu werden, die bislang dem Rat vorbehalten sind, darunter die
Festsetzung der Interventionspreise oder Exporterstattungen. Der Rat
ließ sich jedoch nur darauf ein, den Abgeordneten bei den
Referenzpreisen, die nicht als echte Preise, sondern als Schwellen
interpretiert werden, Mitspracherecht einzuräumen. Die Kommission erhält
das Recht, auch in Marktbereichen, in denen die Intervention nicht
ausdrücklich geregelt ist, im Krisenfall einzugreifen. Die
Zuckerproduktionsquoten werden schon Ende September 2017 auslaufen.
Während die Europäische Kommission ein Ende des letzten verbleibenden
Garantiemengensystems für 2015 vorgeschlagen hatte, verlangten
zahlreiche zuckererzeugende EU-Mitgliedstaaten, darunter Deutschland,
sowie das Europaparlament eine letztmalige Verlängerung bis 2020.

In der ländlichen Entwicklung sollen wenigstens 30 % der verfügbaren
Mittel für Umwelt- und Klimamaßnahmen ausgegeben werden. Kommen wird die
Neuabgrenzung benachteiligter Gebiete.

Kontinuität im Agrarhaushalt
Entwurf Ausgaben in Höhe von rund
5,262 Mrd. Euro sind im kommenden Jahr für den Etat des
Bundeslandwirtschaftsministeriums vorgesehen. Das bedeutet einen Rückgang
um 0,1 % gegenüber dem diesjährigen Agrarbudget. Wie aus dem
Haushaltsentwurf 2014 hervorgeht, den das Bundeskabinett beschlossen hat,
bleibt die agrarsoziale Sicherung mit rund 3,6 Mrd Euro der mit Abstand
größte Posten. Für die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der
Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK) sind wie bisher 600 Mio. Euro
vorgesehen. Rund 509 Mio. Euro entfallen auf den Titel „Nachhaltigkeit,
Forschung und Innovation“. Für Verbraucherpolitik sind knapp 160 Mio.
Euro, für Internationale Maßnahmen 62 Mio. Euro geplant.
Strittig
bleibt die landwirtschaftliche Unfallversicherung (LUV). Während das
Agrarressort die Erhöhung der Bundesmittel im kommenden Jahr um 25 Mio.
auf 125 Mio. Euro als Unterstützung für die Modernisierung der
landwirtschaftlichen Sozialversicherung (LSV) herausstellte, kritisierte
der Deutsche Bauernverband (DBV) die Ausstattung der LUV als unzureichend.

Mengensteuerung vom Tisch
Milchmarkt Der Deutsche Bauernverband (DBV)
hat sich zufrieden geäußert, dass es bei der Neuausrichtung der
Milchmarktordnung kein neues staatliches Instrument zur
Milchmengensteuerung geben wird. Der sogenannte Dantin-Vorschlag, mit dem
steigende Milchanlieferungen unter bestimmten Bedingungen sanktioniert
werden sollten („Bonus-Malus-Regelung“), sei vom Tisch, sagte
DBV-Milchpräsident Udo Folgart in einer ersten Bewertung des Kompromisses
zur EU-Agrarreform.
Skeptisch beurteilt der Verband laut Folgart aber
die Absprachen für Branchenorganisationen, die Regelungen der
Vertragsgestaltung auch für Nicht-Mitglieder als allgemeinverbindlich
erklären könnten. Dagegen hatte sich bis zuletzt auch die Bundesregierung
gewehrt, die diese fakultative Regelung in Deutschland nicht anwenden
wollte.

Die Butterintervention wird von 30.000 t auf 50.000 t erhöht,
während die Magermilchpulverintervention unverändert bei 109.000 t bleibt.
Weiter ungeklärt ist, ob das Europaparlament ein Mitspracherecht bei der
Festlegung der Intervention erhalten soll.

Grundsätzlich erhält die
EU-Kommission im Fall von Krisen auf den Märkten die Möglichkeit,
kurzfristig aus Mitteln der Ersten Säule Maßnahmen zu ergreifen, um die
Märkte zu stabilisieren, erläuterte der DBV. Als Fazit lasse sich sagen:
„Der Holzweg zurück in die 1980er-Jahre mit Milchseen und Butterbergen
konnte zwar verlassen werden; der Kurs in Richtung Markt wurde allerdings
nicht gestärkt“.
Der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter
(BDM) bedauerte erwartungsgemäß, dass der freiwillige Produktionsverzicht
gegen Ausfall-entschädigung nicht Bestandteil der GAP-Einigung geworden
ist. Hier setzt man nun darauf, dass bei der von EU-Kommissar Dacian
Ciolos für den Herbst angeküdigten Milchkonferenz weiter verhandelt werde.
Die Absprachen zu Branchenorganisationen wurden vorsichtig als „erster
Schritt, der Chancen für eine Erzeugerstärkung bieten könnte“ bewertet.

Zufrieden bis enttäuscht
Resonanz Grundsätzlich erleichtert, oft
in weiten Teilen zufrieden, aber mit unterschiedlichen Details nicht
einverstanden – so lassen sich die vielfältigen Stimmen in Reaktion auf
den Kompromiss zur EU-Agrarpolitik zusammenfassen. EU-Agrarkommissar
Dacian Cioloş sieht eine Neuausrichtung der Gemeinsamen Agrarpolitik, um
die Erwartungen der Gesellschaft besser zu erfüllen. Die Agrarpolitik
betreffe nicht mehr nur einen Sektor, sondern sei eine
Gesellschaftspolitik geworden, sagte Kabinettschef Georg Haeusler in
Berlin. Der irische Landwirtschaftsminister Simon Coveney sprach von einem
historischen Moment. Erstmals sei eine große Agrarreform unter voller
Beteiligung des Europäischen Parlaments gelungen. Paolo De Castro, der
Vorsitzende des Landwirtschaftsausschusses im Europaparlament, sprach von
einem Sieg für Landwirte und Verbraucher. Für
Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner waren es schwierige
Verhandlungen, bei denen aber insgesamt große Fortschritte erzielt wurden.
Deutsche Politiker äußerten Lob und Tadel für Aigners Verhandlungsführung.
Der Deutsche Bauernverband sieht einen „Kompromiss mit Schrammen“, während
der Deutsche Raiffeisenverband wichtige Anliegen der Genossenschaften für
berücksichtigt hält. Nach Einschätzung von Landvolkpräsident Werner Hilse
kommt es nun darauf an, wie die Details in Brüssel geregelt werden.
Spannend dürfte auch die nationale Umsetzung der in Brüssel
verabschiedeten Vorgaben werden, erst dann könnten die Landwirte die
tatsächlichen Auswirkungen der Reformbeschlüsse für ihre Höfe abschätzen.
Die Zuckererzeuger sind enttäuscht, dass das Ende der Produktionsquoten
nur auf 2017 nicht auf 2020 verschoben wurde. Das Urteil von Ökoverbänden,
Umwelt- und Entwicklungsorganisationen ist durchwachsen.
AgE/red