Glyphosat politisch umstritten

Glyphosat politisch umstritten -

Neubewertung Die Internationale Krebsforschungsagentur (IARC) hat ihre Bedenken gegen den Wirkstoff bekräftigt. Eine potenzielle Gefahr ist aber bei verantwortungsvollem Umgang noch kein echtes Risiko, erwidern Anwender.
Vor einigen Wochen hatte die Internationale Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation (WHO) den Wirkstoff Glyphosat in der Rangfolge der Gefährlichkeit um eine Stufe nach oben gerückt. Das löste heftige Kritik aus, denn es gab keinerlei neue Studien zum Krebsrisiko des Totalherbizids, sondern lediglich Neubewertungen bekannter Ergebnisse.

Auf welche Studien sich die Forschungsagentur stützt, hat sie jetzt in einer wissenschaftlichen Materialsammlung zusammengestellt (in englischer Sprache: https://monographs.iarc.fr/ENG/Monographs/vol112/mono112-02.pdf)

„Begrenzte Beweise“
Darin bekräftigt die IARC ihre Bewertung von Glyphosat wie erwartet als „wahrscheinlich krebserregend“: Es lägen „begrenzte Beweise“ dafür vor, dass der Wirkstoff die Bildung von Krebs im menschlichen Körper fördere. „Ausreichende Beweise“ gebe es für die krebserregende Wirkung von Glyphosat bei Tieren. Auf insgesamt 92 Seiten werden rund 200 Studien angeführt, um das Urteil zu stützen. Umweltorganisationen, wie der Nabu, aber auch Grünen-Politiker fordern daher ein Eingreifen der Politik in Form einer zumindest vorläufigen Aussetzung der Zulassung des Wirkstoffs.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) kündigte eine Stellungnahme an, sobald eine Prüfung der Einstufung abgeschlossen sei. Die tierexperimentellen Studien seien allerdings bekannt und in bisherige Bewertungen eingeflossen.  Gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) sagte BfR-Präsident Andreas Hensel, es gebe auch innerhalb der Weltgesundheitsorganisation fachliche Widersprüche, eine Teilbehörde halte Glyphosat weiter für unbedenklich. Zudem sehe er es als „fast unmöglich“ an, komplexe und unabhängige Wissenschaft angesichts der Politisierung dieses Themas zu kommunizieren. Es gebe eine nicht auflösbare Spannung zwischen dem Sachbezug wissenschaftlichen Handels und dem Machtbezug politischen Handelns. Während die Gesellschaft zunehmend sicheres Wissen erwarte, produziere die Wissenschaft zunehmend unsicheres Wissen. Für das BfR sagte Hensel, das Institut könne gute von schlechten wissenschaftlichen Studien unterscheiden und deren Qualtät beurteilen. „Glyphosat ist irgendwie das Chlorhühnchen der Gentechnik geworden“, zitiert die FAZ Hensel, damit sei das Pflanzenschutzmittel ein politisches Symbol. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) teilte mit, sie werde die Ergebnisse im laufenden Kreuzgutachten berücksichtigen und dies noch 2015 an die EU-Kommission übermitteln.

Vertreter der Industrie verwiesen darauf, dass sich aus dem Gefahrenpotenzial nicht auf das tatsächliche Risiko bei sachgemäßer Anwendung schließen lasse. Nach Einschätzung der Arbeitsgemeinschaft Glyphosat (AGG) wird die IARC-Klassifizierung bei Zulassungsbehörden „wenig bis keine praktische Relevanz für die Bewertung möglicher Risiken“, die mit dem Einsatz in der Landwirtschaft verbunden sind, haben. Eine AGG-Sprecherin wies darauf hin, dass der Auftrag der IARC nicht in der Risikobewertung bestehe, sondern allein in der Identifikation möglicher Gefahren. Sie monierte vor diesem Hintergrund, dass das  Krebsforschungsinstitut, das „das Feld bestimmten Interessengruppen“ überlassen habe, die „verantwortungslos mit falschen Begriffen, wie Warnung der Weltgesundheitsorganisation (WHO)“ operiert hätten.

Auf die Unterschiede zwischen theoretischem Gefahrenpotential und realistischem Risiko wiesen auch der Weltverband der Pflanzenschutzindustrie (CropLife) und der Hersteller Monsanto hin. Das Unternehmen betonte, dass jede der Studien von den Zulassungsbehörden bewertet wurde, mit dem Ergebnis, dass Glyphosat als nicht krebserregend einzustufen sei.
AgE/red