Komplizierter durch Vereinfachungen

Komplizierter durch Vereinfachungen - Foto: landpixel
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GAP-Reform 981 Seiten sogenannter konsolidierter Rechtstext und feinstes
Juristen-Englisch lassen vermuten: Einfacher wird es nicht. Nach der endgültigen politischen Einigung über die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik zwischen
Kommission, Rat und Parlament und der Zustimmung durch den Agrarausschuss des EU-Parlaments liegen die Verordnungstexte im Entwurf jetzt vor. Viele, der insbesondere von Deutschland eingebrachten Vereinfachungsregelungen sind offensichtlich in der Umsetzung kompliziert, viele Einzelheiten sind zu bedenken.

Was jetzt noch fehlt, sind die delegierten Rechts- und Durchführungsrechtsakte aus Brüssel und das Nationale Durchführungsgesetz des Bundes unter Beteiligung des Bundesrates. Aus Brüssel sickern Inhalte der fehlenden Brüsseler Papiere nach und nach durch. Der Zeitplan der nationalen Umsetzung hängt davon ab, wie schnell in Berlin eine Regierungsbildung zustande kommt, inhaltlich wird der Koalitionspartner der Union entscheidend. Immerhin wird nach der Wahl schon wieder gearbeitet, es zeigen sich immer stärker die „Tücken“ der in die Rechtstexte „hinein verhandelten“ Regelungen. Diese dürfen die Verwaltung bei Einführung des Greening nicht vor unlösbare Aufgaben stellen und müssen zugleich den Landwirte ermöglichen, das Greening in den Betrieben unter vertretbaren Bedingungen umzusetzen.

Genau dieser gute Vorsatz droht nun im Zusammenspiel der Verwaltungsbehörde, der bescheinigenden Stelle, der InVeKoS-Referenten und der Zahlstelle der Agrarverwaltungen „unter die Räder“ zu kommen. Als Ursache dafür gelten neben der „preußischen Gründlichkeit“ in der Verwaltungsarbeit auch die permanente Sorge von Anlastungen. „OLAF“, das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung, durchzieht die Agrarverwaltung wie ein „unsichtbarer Geist“. Vielleicht zu Recht: Seit seiner Gründung im Jahr 1999 konnte OLAF 3.500 Ermittlungen abschließen. Über 1,1 Mrd. Euro flossen in den EU-Haushalt zurück, es wurden Haftstrafen von insgesamt gut 900 Jahren verhängt. Vor diesem Hintergrund muss auch so manch ein Verwaltungsbeamter „kalte Füße“ bekommen. Also nimmt er erst einmal eine ablehnende Haltung ein, was eine einfache Umsetzung des Greenings nicht gerade erleichtert.

Das Greening

Die ab 2015 in allen Mitgliedstaaten einzuführende „obligatorische Ökologisierungskomponente“, so heißt das Greening im EU-Deutsch, soll 30 Prozent der künftigen Direktzahlungen umfassen und aus den Kernanforderungen Anbaudiversifizierung, Dauergrünlanderhalt und Flächennutzung im Umweltinteresse bestehen. Die Teilnahme am Greening ist obligatorisch für alle Landwirte, die die Basisprämie beantragen, und das Greening bezieht sich auf alle beihilfefähigen Flächen des Betriebs. Die Greening-Zahlung soll in Deutschland in allen Bundesländern als national einheitlicher Betrag gewährt werden und wird etwa 90 Euro/ha betragen. Bei Verstößen gegen die Vorschriften kann die Kürzung höher sein als die Prämie, wobei der maximale Kürzungssatz schrittweise auf 125 Prozent oder ca. 112,50 Euro/ha ansteigt. Allerdings wird mit einem sehr komplizierten Sanktionierungssystem zu rechnen sein. Zitat eines Verwaltungsbeamten des Bundeslandwirtschaftsministeriums: „Das noch in Arbeit befindliche Sanktionierungssystem möchte ich am liebsten gar nicht kennen lernen“.

Die Anbaudiversifizierung soll über einen zweistufigen Ansatz umgesetzt werden und sieht folgende Elemente vor. Betriebe zwischen zehn und 30 ha Ackerland müssen zwei Kulturen anbauen, wovon die Hauptkultur maximal 75 Prozent Flächenanteil einnehmen darf. Bewirtschaftet der Betrieb mehr als 30 haAckerland, muss er drei Kulturen anbauen, wobei die Hauptkultur maximal 75 Prozent und zwei Hauptkulturen zusammen maximal 95 Prozent Flächenanteil haben dürfen. Diese Grenzen gelten jedoch nicht für Betriebe, die mehr als 75 Prozent des Ackerlandes mit Ackergras oder einer sonstigen krautartigen Futterpflanze bepflanzt und/oder stillgelegt haben. Dann darf die Hauptfrucht der verbleibenden Ackerfläche nicht mehr als 75 Prozent umfassen, es sei denn, diese Fläche ist auch mit Ackergras oder sonstigen krautartigen Futterpflanzen bepflanzt oder stillgelegt. Mit anderen Worten: Wer seine Ackerfläche insgesamt über Ackergras oder sonstige krautartige Futterpflanzen nutzt oder stilllegt, ist von der Anbaudiversifizierung befreit. Zurzeit kann leider noch niemand sagen kann, was „krautartige Futterpflanzen“ sind.

Die Befreiung

Befreit von der Anbaudiversifizierung sind Betriebe, die mehr als zehn ha Ackerland bewirtschaften und mehr als 75 Prozent des Ackerlandes für Ackergras und sonstige krautartige Futterpflanzen als Stilllegungsflächen oder eine Kombination dieser Kulturen nutzen. Die nicht auf die genannten Nutzungen entfallende Ackerfläche darf 30 ha nicht überschreiten, maximal dürfen damit 120 ha Ackerland bewirtschaftet werden. Befreit sind zudem Betriebe, die mehr als 75 Prozent der beihilfefähigen Fläche in Form von Grünland (Dauergrünland, Ackergras, sonstige krautartige Futterpflanzen) und/oder über Kulturen im Nassanbau (Reis) nutzen, sofern die nicht mit diesen Kulturen bestellte Ackerfläche 30 ha nicht überschreitet. Schließlich erlässt die Verordnung Betrieben die Anbaudiversifizierung, wenn sie mindestens 50 Prozent ihrer bewirtschafteten Fläche jährlich mit anderen Landwirten tauschen und auf allen vom Betrieb bewirtschafteten Ackerflächen ein jährlicher Wechsel der Kulturen stattfindet. Was genau eine „Kultur“ ist, wird noch geregelt. Die Verordnung unterscheidet Gräser, Kreuzblütler, Nachtschatten- und Kürbisgewächse sowie krautartige Futterpflanzen, wobei Sommer- und Winterkulturen ebenfalls unterschieden werden.

Das Dauergrünland

Für das gesamte Dauergrünland gelten ab 2015 Vorschriften zum Erhalt auf nationaler oder regionaler Ebene, die an die bisherigen Cross Compliance(CC)-Vorschriften angelehnt sind. Die Mitgliedstaaten müssen zudem sicherstellen, dass der Anteil des Dauergrünlandes an der gesamten LF in den Betrieben, die den Greening-Verpflichtungen unterliegen (also allen Antragstellern der Basisprämie!) auf nationaler oder regionaler Ebene um nicht mehr als fünf Prozent gegenüber dem kalkulatorischen Referenzanteil in einer Bezugsperiode abnimmt. Dieser Referenzanteil wird 2015 ermittelt aus Daten aller den Greening-Verpflichtungen unterliegenden Betriebe. Für die Berechnung des Referenz-anteils wird Dauergrünland in 2012 zuzüglich der 2015 als Dauergrünland deklarierten Flächen, die 2012 kein Dauergrünland waren, gewertet. Da die bisherigen CC-Vorschriften zum Dauergrünlanderhalt 2015 und 2016 parallel zum neuen System weiter gelten, ändert sich für die Landwirte in Niedersachsen in dieser Zeit de facto nichts, solange das derzeitige Umbruchverbot greift.

Zusätzlich zu den Regelungen zum Dauergrünlanderhalt auf nationaler oder regionaler Ebene legen die Mitgliedstaaten in FFH- und Vogelschutzrichtlinie-Gebieten umweltsensible Areale fest, die auch Moore und Feuchtgebiete umfassen müssen. Darüber hinaus können die Mitgliedstaaten aus Umweltsicht wertvolle Gebiete festlegen einschließlich kohlenstoffhaltiger Böden. Hier soll dann sowohl die Umwandlung von Dauergrünland als auch das Pflügen mit anschließender Neuansaat verboten werden. Inwieweit Deutschland von dieser Option Gebrauch machen wird, steht noch nicht fest. Allerdings bereitet Niedersachsen unabhängig von diesen Regelungen auf EU-Ebene ein Landesgesetz zum Dauergrünlanderhalt vor, das auch für Flächen ohne Betriebs- oder Basisprämie gelten soll und ein weitreichendes generelles Umwandlungs- und Pflugverbot für Grünland beinhaltet.

Die Vorrangfläche

Schließlich müssen Betriebe mit mehr als 15 ha Ackerfläche ab 2015 fünf Prozent ihres Ackers als „im Umweltinteresse“ genutzt oder landläufig „ökologische Vorrangfläche“ bewirtschaften. Zum Umfang der Vorrangflächen sollen bestimmte, an die Ackerfläche angrenzende Landschaftselemente und Pufferstreifen mitgezählt werden. Hierzu legen die Mitgliedstaaten zunächst fest, welche Flächen sie aus einer in der Verordnung festgelegten Liste (siehe Kasten)anerkennen. Dabei können sie sich eng fassen (zum Beispiel nur Stilllegung) oder sehr weit und alle Flächen der Liste anerkennen.
Die Mitgliedstaaten können ein Gewichtungsschema für die einzelnen Kategorien von Vorrangflächen anwenden. Die Kommission wird die ökologische Wertigkeit der einzelnen Maßnahmen in delegierten Rechtsakten festgelegen. Die Anwendung des Gewichtungsschemas ist dann obligatorisch, wenn ein Mitgliedstaat Kategorien auswählt, für die ein Wert < 1 festgelegt wurde (zum Beispiel Zwischenfrüchte 0,5).

Freigestellt von der Verpflichtung zur Erbringung ökologischer Vorrangflächen sind Betriebe, bei denen mehr als 75 Prozent der beihilfefähigen Fläche als Dauergrünland bzw. des Ackerlandes mit Ackergras oder den anderen oben genannten Arten genutzt wird, sofern die nicht mit diesen Kulturen bebaute Ackerfläche nicht mehr als 30 Hektar umfasst. Die Mitgliedstaaten haben zudem die Option, dass 50 Prozent der geforderten Vorrangflächen auf regionaler Ebene erbracht werden. Dazu wird es eine Gebietskulisse geben mit den von Landwirten zu erfüllen Aufgaben. Deutschland steht dieser Umsetzungsmöglichkeit ebenso skeptisch gegenüber wie der Möglichkeit zur „kollektiven Erbringung“, sie könnte Gruppen von bis zu zehn Landwirten die gemeinsame Leistung von Vorrangflächen eröffnen. In beiden Varianten müssen 2,5 Prozent der Vorrangfläche auf eigener Scholle liegen. Die so nachgewiesenen Vorrangflächen müssen zudem zusammenhängen. Schließlich muss die vertragliche Regelung zwischen den Landwirten eindeutig klären, welche Sanktionen im Falle des Verstoßes gegen wen verhängt werden müssen.

Die Zweite Säule

Der Mitgliedstaat kann auch festlegen, Greening alternativ durch äquivalente Agrarumweltmaßnahmen der 2. Säule oder äquivalente Umweltzertifizierungssysteme umzusetzen, wobei eine Doppelförderung zu vermeiden ist. Die äquivalenten Maßnahmen sind in einer Liste der Verordnung (die im Prinzip per delegiertem Rechtsakt der Kommission noch zu erweitern ist) festgelegt. Den Landwirten kann danach erlaubt werden, eine oder mehrere der Greening-Vorschriften durch äquivalente Agrarumweltmaßnahmen oder auch das gesamte Greening durch äquivalente Umweltzertifizierungssysteme zu ersetzen, wenn sie damit alle Greening-Verpflichtungen erfüllen. Beide Möglichkeiten werden derzeit als Option für Deutschland kritisch gesehen.

Dauerkulturen

Für Dauerkulturflächen sind keine Greening-Anforderungen festgelegt worden. Ökobetriebe gelten der Verordnung nach per se als „green“, wenngleich das Problem der Doppelförderung auch hier besteht. Nach Artikel 29 Absatz 6 und Artikel 30 Absatz 4 der neuen ELER-Verordnung (Agrarumweltmaßnahmen und Ökolandbauförderung) müssen die Mitgliedstaaten Abzüge von den Zahlungen vornehmen, um Doppelförderungen mit Einführung des Greening zu vermeiden. Das Verbot der Doppelförderung könnte sich auch bei Agrarumweltmaßnahmen wie Randstreifen und Blühflächen als kritisch erweisen, dazu laufen noch Prüfungen. Hier könnte eine Differenzierung in zwei Förderstufen (Greening ja/nein) helfen, um die Motivation der Landwirte zur Teilnahme an solchen Programmen nicht zu gefährden. Agrarumweltprogramme zu mehrgliedrigen Fruchtfolgen betrifft das Doppelförderungsverbot dagegen nicht, da schon bisher die „Baseline“ für die Kalkulation der Prämie auf Basis einer dreigliedrigen Fruchtfolge lag und durch das Greening keine Anhebung erfolgt.

Zwei Dinge werden aus diesem Paket an Vorschriften deutlich; jeder Betrieb ist aufgrund seiner betrieblichen Gegebenheiten unterschiedlich stark von der anstehenden GAP-Reform und insbesondere dem Greening betroffen. Vom Greening völlig befreit sind Betriebe, die ausschließlich Ackerflächen in einer Größe von insgesamt weniger als zehn ha oder beihilfefähige Flächen bewirtschaften und zugleich die Befreiungstatbestände zu den Greening-Anforderungen erfüllen. Auch reine Dauerkulturbetriebe sind nicht betroffen. Ökobetriebe gelten als „green“, sind aber mit dem Problem der Doppelförderung konfrontiert. Dies gilt auch für alle nicht freigestellten Antragsteller, die Greening-Verpflichtungen unterliegen und an Agrarumweltmaßnahmen teilnehmen. Dann ist es entscheidend, an welchen Agrarumweltmaßnahmen sie teilnehmen: Einige „kollidieren“ mit dem Greening, andere nicht. Und schließlich kommt ein enormer Beratungsbedarf auf die Antragsteller zu. Landwirte und Berater sollten sich rechtzeitig und intensiv mit der Thematik befassen.
Dr. Wilfried Steffens
Landvolk Niedersachsen