Wer verbreitet resistente Keime

Wer verbreitet resistente Keime - Foto: landpixel
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Antibiotika  In öffentlichen Diskussionen über Antibiotika-Resistenzen in Krankenhäusern wird der Tierhaltung gerne die Schuld zugeschoben. „Dem Robert-Koch-Institut zufolge sind resistente Keime aus der Nutztierhaltung nur sehr selten verantwortlich für MRSA-Infektionen beim Menschen“, sagt Dr. Friedrich Delbeck vom Schweinegesundheitsdienst der Landwirtschaftskammer Niedersachsen.

Studien würden vielmehr belegen, dass der Krankenhauskeim haMRSA auch bei Katzen und Hunden vorkommt. Ergebnisse der Freien Universität Berlin zeigten, dass das enge Zusammenleben im Laufe der Zeit zu einem permanenten Austausch des haMRSA-Stammes führt und damit auch zu einem wesentlich höheren Mutationsdruck mit einer wesentlich erhöhten Resistenzbildung, schlussfolgert Delbeck. In der Nutztierhaltung sei der Mutationsdruck solcher Erreger dagegen wesentlich geringer, weil der Kontakt weniger innig und die Verweildauer der Nutztiere im landwirtschaftlichen Betrieb wesentlich kürzer sei.

Erbgut der ESBL-Keime unterscheidet sich

Die Übertragung von multiresistenten Erregern durch den Verzehr von Fleisch zweifelt Delbeck an. Wissenschaftliche Untersuchungen hätten gezeigt, dass nur bei 1,2 Prozent der verglichenen resistenten Escherichia coli von Mensch und Tier Ähnlichkeiten auftreten und dies zu maximal 70 Prozent des Erbgutes. Ebenso zeige eine Studie von Humanmedizinern des Universitair Medisch Center (UMC) in Utrecht, dass das Erbgut von ESBL-Keimen auf Menschen sich von dem beim Geflügel unterscheidet.

„Die resistenten Escherichia coli, die die Menschen krankmachen, stammen also nicht aus der Tierhaltung“, bestätigt Delbeck. Auch dem Vorwurf, Tieremissionen (Abluft und Gülle) führten zur Verbreitung resistenter Keime oder zur Verschärfung des Resistenzdrucks wegen der darin enthaltenen Antibiotika, erteilt Delbeck eine Absage. „Tatsache ist, dass die meisten Leitkeime in der Abluft bisher nicht nachgewiesen wurden“, sagt der Tiermediziner. Lediglich an die Nutztierhaltung assoziierte LaMRSA wurden in Einzelfällen in sehr geringem Umfang gefunden.

Er lenkt den Blick vielmehr auf eine bislang wenig beachtete Tatsache: Etwa 80 Prozent (ca. 640 t) der rezeptpflichtigen antibiotisch wirksamen Stoffe werden in den hausärztlichen Praxen verschrieben und 20 Prozent (160 t) in Krankenhäusern. Wobei eine Vorreinigung in Krankenhäusern nicht verpflichtend ist.

„Abseits vom Thema Antibiotika gibt es keine öffentliche Diskussion darüber, wie stark belastet unsere Abwässer mit diversen Medikamenten aus dem Humanbereich sind“, wundert sich Delbeck. Ergebnisse eines Forschungsprojektes des Umweltbundesamtes (UBA, 2011) zeigen, dass 630 verschiedene arzneimittelwirksame Stoffe und deren Abbauprodukte in Gewässern, Böden und Klärschlämmen nachgewiesen wurden. Sehr häufig kommt das als Schmerzmittel und Entzündungshemmer verwendete Diclofenac vor. In Deutschland wurden im Jahr 2009 allein 91 t von Menschen eingenommen.
Andere Untersuchungen fanden in 40 Fließgewässern 20 Arzneistoffe und vier Abbauprodukte. Dabei müsse beachtet werden, dass die Aufbereitung des Trinkwassers zwar Rückstände vermindert, aber nicht alle Medikamente restlos entfernt. Im Leitungswasser fanden sich immer noch geringe Mengen an Clofbrinsäure, Bezafibrat (beides sind Wirkstoffe, die den Fettblutspiegel senken, sie gelten als schädigend für Fische und Algen), Diclofenac und Ibuprofen (auch sie gelten als Fischschädigend). Mit einem Oxidationsverfahren könnte die Belastung von Kliniktoilettenabwässern schnell und zuverlässig zu 90 Prozent abgebaut werden.

Resistenzen gegen Reserveantibiotika

Das Problem sei die steigende Resistenz gegen Reserveantibiotika. Werden die verschiedener Antibiotikagruppen in der Human- und Tiermedizin verglichen, ergebe sich folgendes Bild:

In der Humanmedizin werden jährlich ca. 800 t antibiotische Wirkstoffe verschrieben. Die Verschreibungshäufigkeit von sogenannten Reserveantibiotika ist dabei auffallend hoch. Daten zum genauen Verbrauch (in t) einzelner Antibiotika in der Humanmedizin sind quasi nicht zu bekommen.
In der Tiermedizin entfielen 2011 von den etwa 1.706 t verwendeten Antibiotika, 173 t (10,1 Prozent) auf Makrolide, 8 t (0,47 Prozent) auf Fluorchinolone und 3,5 t (0,21 Prozent) auf Cephalosporine. Da aber in Deutschland die Resistenzen gerade im Bereich der sogenannten Reserveantibiotika steigen, kann dies rein mengenmäßig nicht aus dem Bereich der Tiermedizin stammen.  »Die Mehrzahl der Antibiotika-Resistenzen kommt aus der Humanmedizin «, sagte auch Prof. Dr. Dr. Andreas Hensel, Präsident des Bundesinstitutes für Risikobewertung, auf der Fachtagung Vieh und Fleisch des Deutschen Raiffeisenverbandes 2013 in Münster.

Was können die Mediziner gegen Resistenzen tun?

Mit den gezeigten Sachverhalten will Delbeck kein Schwarz-Weiß-Malen zwischen Tier- und Humanmedizin aufbauen. Vielmehr werde deutlich, dass gemeinsame Grundregeln bestehen müssen, die für  Tier- und Humanmedizin bindend sind. Er fordert einen ganzheitlichen Ansatz:

Epidemiologische Studien sollten nur in Verbindung mit Keim- und Genanalysen (molekularbiologische Epidemiologie) durchgeführt werden, um die Übertragungswege von Keimen eindeutig nachvollziehen und die Entwicklung resistenter Keime verfolgen zu können.
Für Tier- und Humanmedizin muss es standardisierte Verordnungen und Untersuchungsverfahren geben, wie sie z. B. schon gesetzlich im Bereich der Schlachthöfe und bei der Weiterverarbeitung des Fleisches existieren. So würden Risikobereiche näher definiert und überwacht.

An dieser Stelle wäre es hilfreich – wie in den Niederlanden üblich – wenn es in Krankenhäusern einen Facharzt für Mikrobiologie gäbe, um diese Aufgaben vor Ort wahrzunehmen. Dieser könnte somit auch den behandelnden Ärzten im Krankenhaus und in den Praxen bei antibiotischen Behandlungen Auskunft geben. Zudem sollte eine solche Regelung in Verbindung mit einer Verordnung stehen, die die biologische Sicherheit der Krankenhäuser erhöht, wie dies zum Beispiel in der Tiermedizin mit der Schweinehaltungshygieneverordnung durchgeführt wird. Im Humanbereich gibt es vom Robert-Koch-Institut herausgegebene Richtlinien zur Krankenhaushygiene, die aber nicht gesetzlich bindend sind.

Für die Tier- und Humanmedizin muss es bei Infektionskrankheiten bakteriologischen Ursprungs eine Verpflichtung zur kulturellen Untersuchung geben, wie dies in der Novelle des Arzneimittelgesetzes für Tierärzte schon bindend ist.

Es ist unabdingbar, das Thema multiresistente Keime ganzheitlich zu betrachten. Dies ist umso dringender, da die Nutztierhaltung – ob ökologisch oder konventionell – kein Spielball von politischen Parteien oder Nichtregierungsorganisationen sein darf. Wegen der vielen falschen Behauptungen, die zum Thema im Umlauf sind, ist die Transparenz des Einsatzes von Antibiotika in der Tiermedizin entscheidend. Nur mit harten Fakten lässt sich gut argumentieren und auch korrigieren, deshalb ist die Antibiotika-Datenbank ganz besonders wichtig.
wim