Wie mit der Milchkrise umgehen?

Wie mit der Milchkrise umgehen? - Foto: Landvolk
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Schuldzuweisungen Die Preise für Trinkmilch stürzen bei Aldi um ein Viertel ab, auch Butter und Joghurt geben weiter nach. Händler schieben den Molkereien den Schwarzen Peter zu. Doch die Fehler wurden offenbar viel früher gemacht.

Der Discount-Marktführer Aldi und sein kleinerer Konkurrent Norma senkten die Preise für einen Liter frische Vollmilch von 59 auf 46 Cent – ein Preisabschlag von fast 25 %. Das 250-Gramm-Paket Butter verbilligte sich von 75 auf 70 Cent, auch Schlagsahne, Kondensmilch, Kräuterquark und Joghurt wurden für Verbraucher günstiger. Preissenkungen des Discount-Marktführers haben in der Regel Auswirkungen auf den gesamten Handel. Erst vor wenigen Wochen hatte der Handel die Preise gesenkt. Aldi Nord begründete die Aktion mit dem Überangebot auf dem weltweiten Milchmarkt. Die Molkereien hätten deshalb die Milch billiger angeboten, und es gehöre zu den Grundsätzen der Preispolitik des Unternehmens, günstigere Einkaufspreise an die Verbraucher weiterzugeben. Der Lebensmitteleinzelhandel sei nicht für das aktuelle Überangebot an Rohmilch verantwortlich.

In den ersten beiden Monaten des Jahres 2016 war die angelieferte Milchmenge in der Europäischen Union tatsächlich erheblich größer als in den beiden Vorjahren. Die Anlieferungsmenge beim größten Milch­erzeugerland Deutschland war nach Angaben der EU-Kommission von Januar bis Februar 2016 mit 5,4 Mio. t rund 7,8 % größer als im Vorjahr und zudem 6,3 % größer als vor zwei Jahren. Im Januar 2016 lag das Produktionswachstum erst bei 5,6 %.
Im Gespräch mit der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ) sagte Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Deutschland (HDE): „Wer Supermärkte und Discounter verantwortlich macht, redet am Thema vorbei: Die Preisbildung für Milch und Fleisch erfolgt auf dem Weltmarkt.“

Folge verfehlter Politik
Die Tiefpreisphase sei letztlich Folge einer verfehlten Agrarpolitik, die ausschließlich auf eine Ausweitung der Produktion gesetzt habe. Es sei „einfach zu viel Ware auf dem Markt“ und natürlich gebe man „diesen Preisvorteil an die Kunden weiter“, ergänzt Genth. Allerdings musste HDE-Präsident Josef Sanktjohanser ein Ungleichgewicht innerhalb der Wertschöpfungskette einräumen. Dem könne die Angebotsseite entgegenwirken, indem sie sich stärker formiere und damit ein Gegengewicht zum Lebensmitteleinzelhandel setze.

Mehr Ehrlichkeit in der Milchdiskussion hat indes der CDU-Bundestagsabgeordnete Kees de Vries angemahnt. In der derzeitigen Krise gebe es keine andere Lösung, als „die Marktkräfte im Rahmen der sozialen Marktwirtschaft zu entfalten“, so de Vries in seinem Redebeitrag anlässlich der Ersten Lesung der Novelle des Agrarmarktstrukturgesetzes im Bundestag. In der Konsequenz bedeutet das für den Milchviehhalter aus Sachsen-Anhalt auch, dass die Milchmenge reduziert werden muss. Andernfalls werde sich die Lage am Milchmarkt nicht entspannen. Als eine mögliche Lösung schlägt de Vries eine europaweite Produktionsverringerung vor. Dabei vereinbarten alle Milchproduzenten in der Europäischen Union über ihre Organisationen gemeinsam eine Produktionsbegrenzung. Bisher stünden dem jedoch die geltenden Gesetze im Weg.

Kritik an der politischen Begleitung des Quotenausstiegs übte der Vorsitzende der Landesvereinigung der Milchwirtschaft Niedersachsen (LVN), Jan Heusmann. Auf einer LVN-Versammlung in Altwarmbüchen konstatierte er, die Fehler, die zu der dramatischen Lage geführt hätten, seien bereits vor langer Zeit gemacht worden. Die Anpassung an den freien Markt hätte bereits zu Quotenzeiten erfolgen müssen, etwa durch schrittweise Entwertung der Quote, sagte Heusmann. Eine Rückkehr zur Mengensteuerung hält er jedoch für falsch. „Sie war Ursache für den Marktdruck und kann deshalb nicht die Lösung sein“, so Heusmann. Auch nach seiner Auffassung müsse nun der Markt wirken. Erste Anzeichen sind für ihn bereits erkennbar: die Intervention von Magermilchpulver wirke entlastend, die Anlieferung sei im Abklingen.

Markt besser abbilden
Heusmann betonte, es sei „moralisch nicht verwerflich“, in Milchviehhaltung zu investieren. Niemand habe solche Schwankungen, wie man sie jetzt am Markt erlebe, erwarten können. Nun müsse man darangehen, bessere Sicherungsmaßnahmen vorzubereiten. Dazu gehört es nach Ansicht des Milchviehhalters aus der Wesermarsch, den Markt besser abzubilden und sich, eventuell gemeinsam mit den Molkereien, an Börsen abzusichern. Als Unterstützung von staatlicher Seite wäre eine  steuerliche Glättung von Gewinnen „schon hilfreich“.
ste/Br//AgE