Zurück ins Mittelalter

Zurück ins Mittelalter -

EIN KOMMENTAR VON Gabi von der Brelie
Das Erregungspotenzial kann nicht groß genug sein. Wenn der Verdacht des Betrugs oder nur der  Schludrigkeit im Umgang mit Lebensmitteln im Raum steht, ist das Wort Skandal nicht weit. An Belegen dafür mangelt es leider nicht. Aflatoxin im Futtermittel wird zu „Giftmilch“ aufgebauscht, obwohl nicht für einen Tropfen Milch ein Verdacht auf Aflatoxinbelastung belegt wurde. Biobauern werden Mogeleien unterstellt, weil sie angeblich mehr Hühner als erlaubt gehalten haben sollen. Die Ermittlungen wurden kürzlich eingestellt. Der Niedersächsische Landwirtschaftsminister warnt vor „Verbrauchertäuschung“, weil ein Betrieb zu Rind umdeklariertes Pferdefleisch erhalten haben soll, obwohl es hier offenbar schon längst Entwarnung gab. Bewegen wir uns mit der immer wieder erhobenen Forderung nach einem „Lebensmittelpranger“ zurück ins Mittelalter?

Heute befindet sich der Pranger nicht mehr auf dem realen Marktplatz, sondern im virtuellen Netz. Es bietet Verdächtigungen, schnellen Urteilen und vernichtenden Wertungen einen idealen Nährboden. Juristen warnen zu Recht vor dieser Bloßstellung. Sie erhält ihre Rechtfertigung bei einem Blick in diverse Blogs und Kommentarfelder, hier fällt im Schutz der Anonymität jegliche Hemmschwelle vor Häme und Spott. Das darf den Betroffenen nicht länger zugemutet werden.

Zahlreiche Organisationen und Gruppierungen verstehen es bestens, in diesem Umfeld das Geschäft mit der Angst höchst einträglich für ihre Spendenakquise zu nutzen. Der BUND beispielsweise heizt immer wieder mit Kritik an Agrar- und Ernährungswirtschaft die öffentliche Diskussion an, im Internet fällt neben solchen Meldungen die auffällig platzierte Spendenwerbung ins Auge, Zufall dürfte hier ausgeschlossen sein! Mehr Sachlichkeit bieten der amtliche Verbraucherschutzbericht oder die Einschätzungen des Bundesinstitutes für Risikobewertung, ihre solide recherchierten Ergebnisse bieten kaum das Material für echte Skandalmeldungen, im Gegenteil, sie nähren eher Zweifel an den Hiobsbotschaften.

Ein böser Verdacht lässt sich schnell konstruieren, Argwohn bereitet weiterem Misstrauen einen idealen Nährboden. Der Freispruch lässt leider viel zu lange auf sich warten. Ehe er verkündet wird, ist schon eine Vielzahl weiterer Verdachtsfälle öffentlich diskutiert worden. Schon Wilhelm Busch wusste: Ein böses Wort läuft bis ans Ende der Welt. Zu seiner Zeit war die Welt noch überschaubarer, der heutige Pranger aber wirkt lange nach.
Gabi von der Brelie