Ganz ohne Chemie geht es nicht

Ganz ohne Chemie geht es nicht - Foto: Landvolk Diepholz
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Aktionstag Warum nutzen Landwirte chemischen Pflanzenschutz? Das erklärten in der vergangenen Woche Landwirte in ganz Niedersachsen mit einem Aktionstag. Der sorgte bei vielen Bürgerinnen und Bürger sowie Politikern für „Aha-Erlebnisse“.

Zum Schutz der Kulturpflanzen ergreifen Landwirte viele Maßnahmen, chemischer Pflanzenschutz ist nur eine davon. Das überraschte viele Gesprächspartner. „Landwirte entscheiden sich für chemischen Pflanzenschutz nach den Vorgaben der guten ackerbaulichen Praxis und dem Schadschwellenprinzip“, sagte Karl-Friedrich Meyer in Hessisch Oldendorf. Cord Möller, auf dessen Acker die Feldbegehung stattfand, führt auch die deutlich höhere Effizienz an. „1950 verbrachten meine Vorfahren auf einem Hektar Rüben von der Aussaat bis zur Ernte etwa 240 Arbeitsstunden, bei mir sind es nur noch neun“, macht er deutlich. Ertragssicherheit und Qualität sind deutlich besser, die Erzeugerpreise deutlich niedriger, damit profitieren alle vom chemischen Pflanzenschutz.
In Göttingen erhielt das Landvolk wissenschaftliche Unterstützung von der Abteilung Phytopathologie und Pflanzenschutz der Fakultät Agrarwissenschaften der Uni Göttingen. Bei der Vorstellung des modernen Ackerbau und Pflanzenschutzes am Göttinger Gänseliesel waren verschiedene Anbauvarianten in Pflanzkisten mit dabei und untermauerten die Aussage zum Einsatz moderner chemischer Pflanzenschutzmittel.

 Der Hauptverband des Osnabrücker Landvolkes legte in Bersenbrück, Wittlage und Osnabrück sogenannte Nullparzellen als Demonstrationsflächen an und lud die regionale Presse zum Fachgespräch mit Landwirten sowie Pflanzenschutz- und Agrarberatern an den Ackerrand ein. Sowohl bei den Journalisten als auch bei den weiteren Gästen kamen die Gespräche vor Ort auf dem Feld gut an. Diese positive Reaktion war auch von Kreislandvolkverbänden in den Landkreisen Nienburg, Diepholz, Verden, Braunschweig, Stade, Lüneburg, Lüchow-Dannenberg, Uelzen sowie in der Region Hannover zu hören.

Zusätzlich wurden am Ackerrand Tafeln aufgestellt, die den Zusammenhang und die Notwendigkeit des chemischen Pflanzenschutzes erklären. Sie werden noch über die gesamte Vegetationszeit Radler und Spaziergänger informieren. Deutlich sind die Auswirkungen des Verzichts von Pflanzenschutzmitteln auf den Nullparzellen zu erkennen. Unkräuter wie Disteln und Kletten konkurrieren mit der Nutzpflanze um Nährstoffe, Wasser und Licht. Zusätzlich haben Pilze und andere Schaderreger leichtes Spiel, es treten vermehrt Blattkrankheiten wie Gelbrost auf. „Wie man gut erkennen kann, nimmt die Kamille überhand, die Rübe ist wesentlich kleiner im Wuchs als die Rübe auf der bahndelten Parzelle daneben. Jetzt wird klar, warum wir Pflanzenschutz betreiben: Die Kulturpflanze soll sich etablieren“, erklärte Florian Schröder aus Tellmer im Landkreis Lüneburg.
Diese Nachteile sowie eine nur halb so große Ernte nehmen Bio-Landwirte in Kauf, wenn sie auf die mechanische Unkrautbekämpfung mit Hacke und Striegel setzen. Hinzu kommen ein erhöhter Arbeitsaufwand und Dieselverbrauch. „Sowohl die chemische als auch die mechanische Unkrautbekämpfung haben Vor- und Nachteile haben“, fasste Christian Schulze aus Leveste in der Region Hannover zusammen. Für die Nutzung beider Formen plädierte abschließend Karl-Friedrich Meyer, denn letztendlich entscheide Verbraucher, was für sie wichtig ist. Das hänge dann oftmals vom Preis ab.
sbm

Der Dialog steht im Vordergrund

Warum der Landvolk-Aktionstag zum chemischen Pflanzenschutz nötig war, erklärt Landvolkvizepräsident Dr. Holger Hennies.

Was waren die Gründe des Landvolkes für einen Aktionstag Chemischer Pflanzenschutz?
Wir wollen Vorurteile gegenüber konventioneller landwirtschaftlicher Praxis abbauen und um Verständnis für die Nutzung chemischer Hilfsmittel werben. Es steht der Dialog im Vordergrund. Wenn die fachlich-wissenschaftliche Expertise staatlicher Zulassungsbehörden keine Relevanz in der öffentlichen Debatte mehr hat und Landwirte persönlich angegangen werden, weil sie mit ihrer Feldspritze unterwegs sind, dann ist es höchste Zeit, miteinander ins Gespräch zu kommen.

Mit welchen Argumenten haben Landwirte bei dem Aktionstag Pflanzenschutz die Entscheidung für Chemie begründet?
Unternehmen wir nichts gegen Unkräuter, Schadinsekten oder Krankheiten, schmälern diese nicht nur den Ertrag, sie mindern auch die Qualität der Ernte. Aflatoxine in Schimmelpilzen oder Alkaloide in Mutterkornsporen können beim Verzehr erhebliche gesundheitliche Auswirkungen haben. Natur ist nicht immer nur gut, Chemie nicht unbedingt nur schlecht!

Die Flächen sind ausgeschildert und weiter anzusehen. Was erfährt der Betrachter?
Dort haben Unkräuter, Schadinsekten und Pflanzenkrankheiten freie Bahn. Jeder kann selbst urteilen, ob ihm die Ernte von einer solchen Fläche im wahrsten Sinne des Wortes „schmecken“ würde. Wir wollen Vorurteile gegenüber konventioneller landwirtschaftlicher Praxis abbauen und um Verständnis für die Nutzung chemischer Hilfsmittel werben.
Die Fragen stellte Gabi von der Brelie