Ein strahlender Milchbotschafter

Ein strahlender Milchbotschafter - Foto: LVN/gmc
Foto: LVN/gmc

Milchlandpreis Vielleicht ist es die unkomplizierte und offene Art, die an Sven Klingemann so begeistert: „Eigentlich hätten wir den Preis erst in zehn Jahren gewinnen dürfen“, merkt er bescheiden an. Mit seiner Frau Cara hat er sich um den von der Landesvereinigung der Milchwirtschaft Niedersachsen (LVN) ausgeschriebenen Milchlandpreis 2012 beworben – und die Goldene Olga nach Schneeren in der Region Hannover geholt.

Mit Schneeflocken wurde die Trophäe auf dem Hof übergeben. Vor den Ehrengästen räumt der 29-jährige Sven Klingemann ein, dass der Betrieb noch stark von Vater und Großvater, beide mit Vornamen Wilhelm, geprägt sei. 2008 übernahm er als frisch gebackener Landwirtschaftsmeister den Hof. Als der Vater ein Jahr später erkrankte, entschied der Junior sich schnell dazu, Auszubildende einzustellen. „Mir macht es großen Spaß, mein Wissen weiterzugeben“, erzählt der strahlende Sieger. Zudem sei der Hof mit den zwei Melkrobotern und der erst gerade in Betrieb genommenen 75 kW-Biogasanlage für angehende Landwirte sehr attraktiv.

125 Milchkühe stehen derzeit auf dem Betrieb Klingemann, über 1,125 Mio. kg Milchquote verfügt er. Großvater Wilhelm, Sohn eines Schneidermeisters, hatte nach dem Krieg ursprünglich andere Pläne, ehe er den Hof im heutigen Naturpark Steinhuder Meer 1958 mit acht Kühen und zehn Sauen auf 20 ha begründete. Als Kommunalpolitiker kam er viel rum und brachte immer wieder neue Ideen mit nach Schneeren. „Er war das älteste, aber progressivste Mitglied in unserem Milchausschuss“, erinnerte sich Landvolk-Milchreferent Dr. Werner Rüther an den Hofbegründer. Sohn Wilhelm, der Vater des Preisträgers Sven, siedelte 1983 den Hof an den Ortsrand aus und baute einen Boxenlaufstall. Die Schneerener Bauern zogen schnell nach, mehr als 15 Boxenlaufställe gab es bald in dem landwirtschaftlich geprägten Dorf in der Hannoverschen Moorgeest. Für die Molkerei frischli in Rehburg, der am dortigen Standort 800 Milcherzeuger etwa 450 Mio. kg Milch liefern, zählt Schneeren zu einer Insel in einer nicht so stark von der Milcherzeugung geprägten Region.

Die Lust zu Innovationen setzt sich in der Familie Klingemann offensichtlich weiter fort. Der heutige Betriebsleiter Sven trägt die Verantwortung für den jüngsten Neubau. Der 2010 errichtete Stall bietet den Kühen optimale Hygiene- und Haltungsbedingungen, zwei Melkroboter entlasten zudem die Familie von der aufwändigen Melkroutine. Die Eltern Irmtraud und Wilhelm bilden ein Team für die Wochenendarbeit, Junior Sven und der Auszubildende ein Zweites, alle in der Familie können damit auch Freizeitaktivitäten planen.

Nicht nur der Familie, auch den Tieren tut der moderne Stall gut: „Unsere Tiere können selbst entscheiden, was sie gerade tun: Fressen, saufen, sich bürsten lassen oder in den Melkstand gehen“, schildert der Olga-Preisträger. Der Melkroboter habe viel Ruhe in die Herde gebracht, die Tiere hätten keinen Stress, die Anfälligkeit für Mastitis sei geringer geworden. Knapp drei Mal suchen die Kühe am Tag den Melkroboter auf, die vollautomatischen Melkanlagen schaffen am Tag jeweils 160 bis 170 Melkungen. Mit 11.619 kg Milch zählt der Betrieb bei der Milchleistung landesweit zur Spitzenposition.

Mit großem Interesse besichtigt bei der Preisübergabe auch Landwirtschaftsminister Gert Lindemann Klingemanns Ställe. Die Familie sei auch deshalb so erfolgreich, weil sie im Einklang mit Natur und Gesellschaft wirtschafte. Probleme ergeben sich nach Lindemanns Darstellung nicht durch die Größe eines Hofes, sondern sind vielmehr Betriebsbezogen. Er ermuntert erfolgreiche und große Landwirte wie Sven Klingemann, sich in der Öffentlichkeit zu präsentieren und die von der Werbung vermittelten Zerrbilder zu entkräften. Familie Klingemann arbeite nicht nur wirtschaftlich erfolgreich, sondern auch mit sozialer Verantwortung und Ressourcenschonend, hob LVN-Vorsitzender Jan Heusmann bei der Preisübergabe hervor. Damit werde ein Irrtum entlarvt, der häufig mit Nachhaltigkeit in Verbindung gebracht werde: Es sei nicht die Rückkehr zum herkömmlichen Wirtschaften, sondern der Aufbruch in die Moderne, die für Nachhaltigkeit stehen.

Freimütig bekennt Sven Klingemann beim Rundgang durch den neuen Stall mit den Ehrengästen:  „Von Melkrobotern verstehe ich nichts“ – vom Umgang mit Kühen, Rindern und Kälbern dafür umso mehr! Nicht ganz so zufrieden ist er mit seiner Futterqualität. 57 ha Grünland bewirtschaftet er, die 110 ha Ackerland teilen sich Roggen sowie Silo- und CCM- oder Körnermais. Regelmäßige Bodenuntersuchungen erlauben eine angepasste Düngeberatung auf den ertragsschwachen Sandböden, der große Güllelagerplatz ermöglicht die Ausbringung im Frühjahr, wenn die Pflanzen den größten Bedarf haben. Die gerade in Betrieb genommene Biogasanlage wird mit der Pferdemisteinstreu aus dem Kuhstall sowie den Deckschichten aus dem Grundfutterstapel gefüttert. „Unseren Kühen bekommt dieses Futter nicht, der Biogasanlage schon“, freut sich Sven Klingemann. Die kleine Hofanlage soll das Wohnhaus heizen und den Holzvorrat entlasten.

Sven Klingemann und seine 27-jährige Frau Cara, eine gelernte Tierpflegerin, haben sich mit Töchterchen Mia auf dem Hof noch viel vorgenommen. Zunächst soll das Futterlager renoviert werden, die Planungen sind kurz vor der Umsetzung. Im Betriebsablauf stehen Neuorganisationen an, um den Eltern den Umstieg aufs Altenteil zu ermöglichen. Auch ein weiteres Wachstum schließt der begeisterte Milchviehhalter nicht aus. Aber, fachsimpelt er mit dem Agrarpolitiker Lindemann im Jungviehstall, rasante Wachstumsschübe seien in der Milch-
erzeugung auch nach dem Wegfall der Quote nicht zu erwarten, die Expansion in der Milchviehhaltung bleibe an die Fläche gebunden und damit kalkulierbar. Allerdings sieht Sven Klingemann  in der Quotenregelung auch kein echtes Regelwerk mehr.

Als bislang jüngster Preisträger in der zwölfjährigen Geschichte des Milchlandpreises Niedersachsen zog Sven Klingemann schon bei der feierlichen Preisübergabe im November im Kurhaus in Bad Zwischenahn gemeinsam mit Frau und Tochter Mia die Festgesellschaft in seinen Bann. Seine Begeisterung für die Landwirtschaft und seine Tiere ist auch bei dem Rundgang durch die Ställe überall zu spüren. Hier stimmt das Gesamtpaket, bestätigte daher zu Recht die unbestechliche Fachjury. Gleichwohl setzt Sven Klingemann selbstbewusst Prioritäten: Zuerst kommt die Familie! Und den Einsatz und die Liebe der gesamten Familie für die Milchviehhaltung können die Gäste bei der Preisübergabe hautnah miterleben. Im Jahr 2013 wird der strahlende Olga-Preisträger zudem ein äußerst sympathischer Botschafter für das Milchland Niedersachsen sein. Minister Lindemann meinte bei der Preisübergabe, Aufmerksamkeit könne Spaß machen, aber auch lästig sein. Familie Klingemann hat nun genug Zeit herauszufinden, welche Variante sie als zutreffend empfindet.
Gabi von der Brelie