Neue Regierung nimmt Arbeit auf

Neue Regierung nimmt Arbeit auf - Foto:   Julian Stratenschulte/dpa
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Rot-grüne Koalition­  Ohne Überraschungen verliefen am Dienstag die Wahl des SPD- Politikers Stephan Weil zum Ministerpräsidenten und die Vereidigung seiner Minister. Am Wochenende hatten Sonderparteitage beider Parteien der Koalitionsvereinbarung zugestimmt. Auf acht der 96 Seiten sind darin die grundlegende Ziele der künftigen Agrarpolitik zusammengefasst.

Obwohl die Regierungsparteien im neuen Landtag nur über die knappste denkbare Mehrheit von einer Stimme verfügen, ging bei der Wahl des Ministerpräsidenten alles glatt. Erwartungsgemäß wurden die Grünen-Politiker Christian Meyer als Landwirtschaftsminister (der vollständige Name des Ressorts lautet: Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung) sowie Stefan Wenzel als Umweltminister vereidigt.

Staatssekretär im Agrarministerium wird der aus Niedersachsen stammende Udo Paschedag (siehe Kasten), im Umweltressort Almut Kottwitz, bisher Leiterin der Abteilung Wasserwirtschaft/Umweltschutz im Umweltministerium.
Wenige Tage zuvor wurde der ausformulierte Koalitionsvertrag der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Aussagen zur künftigen Agrarpolitik stehen unter der Überschrift „Für eine bäuerlich, verbraucher- und tiergerechte, zukunftsfähige Landwirtschaft“ und beginnen mit den Vorhaben zum Verbraucherschutz.

Mehr amtliche Kontrolle

Die rot-grüne Koalition will „deutliche Verbesserungen bei den amtlichen Kontrollen des Verbraucherschutzes erreichen“ und  dies durch kostendeckende Gebühren gegenfinanzieren. Geprüft werden soll, ob Großbetriebe im Lebensmittelbereich künftig zentral durch das LAVES statt durch die Kommunen kontrolliert werden. Das LAVES soll „personell, finanziell und rechtlich“ gestärkt werden. Im Kapitel „Tierschutz“ kündigt die Koalition an, auf Landesebene das Verbandsklagerecht für anerkannte Tierschutzverbände einzuführen und einen hauptamtlichen Tierschutzbeauftragten beim Landwirtschaftsminister einzusetzen.
Für die ländlichen Räume verspricht die Koalition eine „neue Politik“.  Die verschiedenen Politikbereiche sollen besser abgestimmt werden, dem demografischen Wandel und den strukturellen Schwächen soll mit „integrierten Strategien“ begegnet werden. Landesförderung und Verwaltungsstruktur sollen im Dialogprozess an neuen Leitbildern ausgerichtet werden.

Niedersachsen soll Agrarland Nr. 1 bleiben, heißt es unter der Überschrift „Zukunftsgerechte Landwirtschaft“. Dafür soll sich die Ernährungs- und Landwirtschaft „verbraucher- und umweltgerecht … neu aufstellen“. Statt einer Politik des Wachsens oder Weichens wolle die Regierung die rund 40.000 bäuerlichen Familienbetriebe in den Mittelpunkt ihrer Politik stellen. Nach dem Willen der  Koalition soll die Landwirtschaft 

  • die steigende Nachfrage nach regionalen und ökologischen Produkten bedienen,
  • die Biodiversität und das Bodenleben fördern,
  • mit Tieren artgerecht umgehen sowie
  • ein angemessenes Einkommen und faire Löhne sichern.

Für diese Neuausrichtung will sie einen Dialogprozess mit Landwirtschaftsorganisationen, Kommunen, Verbraucher-, Tierschutz- und Umweltverbänden initiieren. Außerdem kündigt die Koalition an, in diesem Sinn ordnungsrechtliche Vorgaben anzupassen und Förderinstrumente neu auszurichten.

Die, wie es heißt, auf hohem Niveau verharrenden und in manchen Teilen Niedersachsens weiter gestiegenen Belastungen des Grund- und Oberflächenwassers mit Nitrat und Phosphat aus der Düngung sollen deutlich reduziert werden. Dazu will man flächendeckendes Düngekataster sowie verbindliche Standards für qualifizierte Flächennachweise einführen. Ferner sollen die Flurneuordnung und der Wegebau eingeschränkt werden. Niedersachsen soll eine eigene Eiweiß-Strategie entwickeln, in der Biomasseproduktion für die Energieerzeugung verstärkt Reststoffe sowie „umwelt- und landschaftsverträgliche nachwachsende Rohstoffe“ nutzen.

Hohe Standards

Die rot-grüne Koalition kündigt an, sich für die Einhaltung und Einführung hoher Tierschutzstandards einsetzen, und strebt die „schnelle Beendigung“ der Käfighaltung von Hühnern, den Verzicht auf das „Amputieren oder das Verstümmeln von Tieren“, die Durchsetzung des Schenkelbrand-Verbots, die „schnelle Beendigung“ der betäubungslosen Ferkelkastration sowie die Begrenzung von Tiertransporten auf vier Stunden. Überdies soll die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung um alle noch nicht erfassten Tierarten erweitert werden und konkrete Vorgaben, etwa zum Platzangebot, enthalten. In der gesamten Nutztierhaltung soll eine „umfassende Tierwohl-Strategie“ umgesetzt werden, der Tierschutzplan dafür verbessert und mit „ambitionierten Zeitplänen“ unterlegt werden. Alles soll einhergehen mit strikter Kontrolle und Verfolgung von Verstößen.

Den Antibiotikaeinsatz in der Nutztierhaltung will die Koalition in den nächsten fünf Jahren um mindestens 50 % reduzieren, im Außenbereich sollen zukünftig nur noch Ställe privilegiert sein, die keiner immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bedürfen. Die Genehmigung neuer Ställe – im Vertrag „Tierhaltungsanlagen“ genannt – sollen Keimschutzgutachten, den Einbau der besten verfügbaren Filtertechnik und die Tierrettung im Brandfall voraussetzen. AFP-Zuschüsse wird es nur für Ställe geben, die weit über gesetzlichen Tierschutzstandards und unter den BImSchG-Schwellen liegen.

Die rot-grüne Koalition will zur Förderung des Ökolandbaus die Umstellungs- und Beibehaltungsprämie deutlich anheben sowie regionale Verarbeitungs- und Vermarktungsstrategien für kleine und mittlere Unternehmen verstärkt fördern. Außerdem will die Koalition alle Möglichkeiten ausschöpfen, Niedersachsen – gemeint ist hier nur die Landwirtschaft – gentechnikfrei zu halten. Die Agrarverwaltung will sie mit dem Ziel überprüfen, hoheitliche Aufgaben von der Selbstverwaltung zu trennen. Im Bundesrat will sie sich für die Abschaffung der Hofabgabeklausel einsetzen.

Im Bereich „Erneuerbare Energien“ will die rot-grüne Koalition verlässliche Planungsgrundlagen und Rahmenbedingungen für den Ausbau schaffen. Die neue Landesregierung lehnt den weiteren Zubau von Biogasanlagen in der bisherigen Form ab. Die Einstufung der Gärreste als Wirtschaftsdünger müsse dringend geprüft werden. Als erster Schritt wird die Regierung die Errichtung von Biogasanlagen in allen Schutzzonen von Wasserschutzgebieten untersagen.
Forstpolitisch will Rot-Grün  eine naturnahe Waldbewirtschaftung für alle Waldbesitzarten erreichen. Dazu sollen das Gesetz über den Wald und die Landschaftsordnung (NWaldLG) zu einem entsprechend formulierten Landeswaldgesetz weiterentwickelt werden.
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