40 Prozent der Höfe in Niedersachsen werden im Nebenerwerb bewirtschaftet
L P D – Der landwirtschaftliche Nebenerwerb ist eine bedeutende Größe in Niedersachsen – dies wurde bei der Sitzung des Nebenerwerbsausschusses im Landvolk Niedersachsen deutlich. Rund 40 Prozent der Höfe und knapp ein Fünftel der Fläche werden von Landwirtinnen und Landwirten bewirtschaftet, die neben ihrem Job auf dem Hof noch einem weiteren Beruf im Haupterwerb nachgehen.
„Der landwirtschaftliche Nebenerwerb ist nicht, wie lange angenommen wurde, ein Einstieg in den Ausstieg, ist also kein Übergangsphänomen des landwirtschaftlichen Strukturwandels bis zur Komplettaufgabe des ganzen Betriebs. Vielmehr hat er sich über Jahrzehnte als eine stabile Erwerbsform etabliert“, sagte der Ausschussvorsitzende Christian Mühlhausen. Der selbstständige Agrarjournalist aus dem Landkreis Göttingen bewirtschaftet einen Ackerbaubetrieb und baut dort in Kooperation mit einem Berufskollegen unter anderem Weizen, Zuckerrüben, Mais und Raps an.
Deutlich wurde auf der Sitzung aber auch, dass viele Nebenerwerbslandwirte daneben interessante Nischen für sich entdeckt haben, etwa Sonderkulturen mit Direktvermarktung, Naturschutz und Landschaftspflege, Freilandeier oder den Tourismus. Die Haltung von Wiesenhähnchen wie auf dem Betrieb Behrlin GbR , der im Rahmen der Nebenerwerbsausschuss-Sitzung besucht wurde, ist ein weiteres Beispiel für die bunte Vielfalt im Nebenerwerb. Nebenerwerb ist dabei längst keine Frage mehr der Betriebsgröße, wie etliche erfolgreiche Nebenerwerbsbetriebe mit 100 Hektar Fläche und mehr belegen.
Stabile Zahlen und Tausende erfolgreiche Nebenerwerbsbetriebe in Niedersachsen belegen: Teilzeit-Landwirt zu sein bedeutet nicht, dass man besser oder schlechter wirtschaftet als die Kollegen im Vollerwerb – sondern eben nur anders. Eine landwirtschaftliche Grundausbildung sowie regelmäßige Fortbildungen für Nebenerwerbslandwirte sind daher unabdingbar. „Auflagen und Regeln gelten für alle Landwirte gleichermaßen“, sagt Mühlhausen, der nach seinem Forstwirtschaftsstudium und der Ausbildung zum Journalisten sich noch berufsbegleitend zum Landwirt hat ausbilden lassen.
Natürlich sei auch der Nebenerwerb einem Wandel unterworfen: „Früher musste der Hof meist nach Feierabend oder an den Wochenenden bewirtschaftet werden, heute erlauben moderne Beschäftigungsverhältnisse mit Stundenkonten häufig ein flexibleres Arbeiten“, hat Mühlhausen festgestellt. Es gebe allerdings auch Herausforderungen, denn schließlich müssten Hauptjob, Hof und Familie unter einem Hut gebracht werden. Das erfordere eine gute Organisation und ein funktionierendes Zeitmanagement.
Dass die Bedeutung der Nebenerwerbslandwirtschaft weiter stabil bleibt, davon ist Mühlhausen überzeugt – trotz und gerade wegen des sich derzeit beschleunigenden Strukturwandels in der Branche: „Gerade Landwirte mit kleiner und mittlerer Tierhaltung geben diese angesichts der anstehenden Herausforderungen, der Auflagen und der politischen Unsicherheit offenbar verstärkt auf. Neben dem neuen Hauptjob wird der Restbetrieb aber häufig als Ackerbaubetrieb weitergeführt oder Ställe und Grünland für Mutterkuhhaltung und Jungviehaufzucht im Nebenerwerb genutzt“, lautet seine Erfahrung.
Neben der Weiterführung des Betriebes aus wirtschaftlicher Motivation gebe es noch weitere Gründe, weshalb Landwirte einen Hof im Nebenerwerb führen: Sei es aus Tradition, sei es als Ausgleich zum Beruf oder schlicht aus Begeisterung für die Landwirtschaft. Offenbar entscheiden sich auch viele junge Leute mit hoher Qualifikation für dieses Modell. „Am Beginn des Agrarstudiums wollten viele noch den elterlichen Vollerwerbsbetrieb übernehmen, am Ende hatten sie dann doch einen anderen Job und machen heute den Hof im Nebenerwerb“, lautet die aktuelle Erfahrung jüngerer Ausschussmitglieder.
Gegen den Trend der sinkenden Zahlen von Landwirtschaftsbetrieben finden sogar Wiedereinstiege oder Neugründungen von Höfen statt, die meist zunächst im Nebenerwerb starten. Die Nebenerwerbslandwirte spiegeln dabei etwa den Querschnitt der Gesellschaft wider, hat Mühlhausen beobachtet.
Den landwirtschaftlichen Nebenerwerb in Niedersachen innerhalb des Berufsstands und nach außen sichtbar zu machen, definiert Mühlhausen als eine der wichtigsten Aufgaben des Ausschusses. Das komme auch der ganzen Branche zugute: In Zeiten, in denen es immer weniger Landwirte in den Dörfern gibt, seien die Nebenerwerbslandwirte so etwas wie eine Brücke in die Gesellschaft: „Der Landwirt im Nebenerwerb steht durch seinen Hauptjob in den unterschiedlichsten Berufsgruppen oftmals anderen Konsumenten und Gesellschaftszweigen näher.“ Nebenerwerbslandwirte seien dadurch wichtige Botschafter der Landwirtschaft. (LPD 81/2021)